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Einleitung.

1. Mit Recht sagt Sallustius C 8, dass den Römern grosse talentvolle Geschichtschreiber gefehlt haben, mit Recht findet er die Ursache davon in der unausgesetzten praktischen und politischen Thätigkeit des Volks. Wol ward von Staatswegen für die Aufzeichnung der wichtigsten Vorfälle durch die Pontufices gesorgt: litterarische Thätigkeit für die Geschichtschreibung entwickelte sich erst nach dem zweiten punischen Krieg. Aber die, welche zuerst die Ereignisse ihrer Zeit mit Anknüpfung an die Vergangenheit schrieben, Q. Fabius Pictor, L. Cincius Alimentus und P. Scipio, bedienten sich der griechischen Sprache 1). Den ersten anerkennenswerten Versuch lateinischer Geschichtschreibung machte der grosse M. Porcius Cato Censorius in seinen uns nur in Bruchstücken erhaltenen Origines. Der Zweck aber, durch die Erzählung der Vergangenheit und der Zeitereignisse patriotische und echt römische Gesinnung zu kräftigen, um des willen Cato einige seiner Reden mit einflocht, hatte noch nichts mit der tieferen Auffassung der Geschichte und ihres innern Zusammenhangs zu thun, und auch die Sprache war zwar kräftig und angemessen, jedoch von eigentlicher künstlerischer Gestaltung noch weit entfernt. Schon die Anordnung des Inhalts, ausgehend von dem Ursprunge der einzelnen Orte, Völkerschaften und Staaten, beweist, dass die alte annalistische Form noch nicht überwunden war, und die schätzbaren Nachrichten und Notizen lassen den Mangel an Kritik hindurchblicken. Nach mehrern Geschichtschreibern, an deren Darstellung die trockene Dürre als charakteristisch bezeichnet wird 2), machte zuerst L. Cälius Antipater den Versuch, in mehr rhetorischer Weise zu schreiben, und seinem Beispiel folgte der auch von Sallust3) erwähnte L. Cornelius Sisenna in seinen Geschichten des marsischen Kriegs und der Sullanischen Zeit. Doch fehlte beiden

1) S. mein Lehrbuch der Geschichte I 2 S. 232. 2) L. Calpurnius Piso, L. Cassius Hemina, G. Fannius, P. Sempronius Asellio, P. Rutilius Rufus, G. Sempronius Tuditanus. S. mein Lehrb. I 2 S. 418.3) J 95, 2.

SALLUST, CATILINA.

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ebenso das freie Urteil, wie die Unterscheidung des historischen Stils von dem rhetorischen Formelwesen 1). Die lateinische Schilderung seines Lebens von M. Aemilius Scaurus2), so wie die griechisch verfassten Memoiren des Q. Luctatius Catulus, L. Sulla und L. Licinius Lucullus konnten auf historische Treue und somit auf wahren Wert keinen Anspruch machen. Beschränkt war auch der Zweck bei G. Julius Cäsars Commentarien vom gallischen und vom Bürgerkrieg, aber trotz der flüchtigen Hinwerfung boten sie doch das Muster geschmackvoller Erzählung, welches seine Fortsetzer und Nachfolger, A. Hirtius und noch weniger Q. Oppius durchaus nicht erreichten. Diese Vorarbeiten, namentlich aber auch die Neigung zu historischer Darstellung, kamen unserem Sallustius zu Gute, welcher zuerst den Namen eines grossen Geschichtschreibers in Rom sich verdient hat. Betrachten wir, was von seinen Lebensverhältnissen uns bekannt ist.

2. G. Sallustius Crispus wurde nach den uns überlieferten Nachrichten im J. 86 zu Amiternum im Sabinerland geboren. Seine Familie war plebeisch 3) und gehörte gewis nicht zur höhern Nobilität, doch ist Wolhabenheit zu vermuten. Seine Kindheit fiel also in jene grauenvollen Zeiten, in welchen zuerst die marianische Partei in Rom herschte, dann aber Sulla unter blutigen und räuberischen Gewaltthaten die Senatsherschaft wieder aufrichtete. Wir erkennen aus mehreren Stellen seiner späteren Geschichtswerke, dass diese Ereignisse einen unverlöschlichen Eindruck in seiner Seele zurückliessen. Dass er die litterarische Bildung, welche die römischen Jünglinge sich anzueignen pflegten, mit bestem Erfolg durchmachte, dass er auf Rhetorik, Philosophie, griechische und lateinische Litteratur4) fruchtbaren Fleiss wandte, dafür geben seine Schriften unwiderlegliches Zeugnis. Sulla's Werk ward sofort nach dem Tode des Urhebers wieder wankend gemacht, ja seine eignen früheren Parteigänger, vor allen Gn. Pompeius, setzten freilich in eigensüchtigem Interesse 5) alle Hebel zu seinem Umsturz in Bewegung. Einem scharfsichtigen jungen Mann konnte nicht unklar bleiben, dass der römische Staat einem gewaltigen innern Kampfe entgegengehe, seiner Beobachtung konnte sich nicht die Tendenz und das Wesen der vorhandenen Parteien entziehen. Muste ihn nicht, wenn er nicht ein blindes Werkzeug anderer sein oder vom Strome gedankenlos fortgerissen werden wollte, sein Inneres dahin drängen, sich eine feste Ueberzeugung zu bilden, ein würdiges

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1) Die übrigen Geschichtschreiber Junius Gracchanus, Gn. Gellius, G. Licinius Macer, Q. Claudius Quadrigarius, Q. Valerius Antias, s. a. d. a. Stelle meines Lehrbuchs. 2) Sall. J 15. 25. 28-30. 40. 3) Wäre dies nicht der Fall gewesen, so hätte unser Geschichtschreiber ohne transitio ad plebem den Volkstribunat nicht bekleiden kön

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- 4) C 53, 2. — 5) C 38, 3.

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Ziel seines Strebens mit klarem Bewustsein zu erfassen? G. Sallustius war durch seine Herkunft auf die Popularpartei hingewiesen, von der Nobilität hatte er nichts zu hoffen: doch es genügte ihm nicht eine Entscheidung nach solchen äussern Gründen. Woraus sollte aber ein richtiges Urteil über die Gegenwart und die Zukunft gewonnen werden, wenn nicht aus der Geschichte der Vergangenheit? Sallust studierte sie, und der Drang seines Geistes zur Production brachte ihn zu dem Vorsatze, Geschichte zu schreiben1). Doch noch waren unter den gebildeten und wolhabenden Römern diejenigen selten, welche nicht dem Staate ihre Kraft widmeten2). Die Catilinarische Verschwörung hatte eben erst die tiefen Schäden des Staates blossgelegt und eine Alleinherschaft schien notwendig, aber um die Persönlichkeit dessen, welcher sie sich erobern würde, handelte es sich 3). Wenn Sallust die Quästur in dem Lebensjahre erlangte, in welchem sie nach der lex Villia annalis bekleidet werden durfte, so war es im J. 59 v. C., wo er die Staatsbahn sich eröffnete. Will man nicht annehmen, dass er seine so entschiedenen Anschauungen und Grundsätze erst später sich gebildet, sondern das wesentliche an denselben unmittelbar im Laufe der Ereignisse sich angeeignet habe, so kann man nicht anders als ihn zu Cäsars Partei sich neigend denken; indes wird er seine Freiheit nicht verkauft 4), sondern eine selbständige Stellung sich gewahrt haben, und wer eine Anschauung von solchen Parteistellungen und -anstrengungen besitzt, wie sie damals in Rom vorwalteten, der wird einen Teil des Widerwärtigen, was er auf der Staatslaufbahn erfuhr 5), daraus herleiten. Wie er die Pläne des Pompeius zu durchkreuzen strebte, könnte man nicht mit Sicherheit daraus schliessen, dass er für das Jahr 52 um den Volkstribunat sich bewarb, wol aber aus dem, was er in diesem Amte that und was daraus für ihn hervorgieng. Die Intriguen des Gewalthabers namentlich durch Verhinderung der Wahlen hatten den Staat in die grösste Verwirrung gebracht. Wie ein Blitzschlag fiel die Tödung des P. Clodius durch T. Annius Milo hinein. Bei den aufrührerischen Scenen, welche die Verbrennung der Leiche und mit ihr der Curie begleiteten, wird Sallustius nicht mit beteiligt genannt. Dagegen berichtet Asconius 6), dass er später mit seinen Collegen Q. Pompeius Rufus und T. Munatius Plancus die Plebes gegen Milo und seinen Verteidiger Cicero aufgereizt habe. Doch gab er bald wie Q. Pompeius dieses Wühlen auf und erregte den Verdacht, mit Milo und Cicero ein Abkommen getroffen zu haben. Wir würden dies auffällige Benehmen uns nicht erklären können,

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wenn nicht die zwei Jahre später ihn treffende Massregel eine Handhabe uns böte.

3. Was Sallustius C 3, 2 von den ungerechten Urteilen, die über den Geschichtschreiber gefällt zu werden pflegen, sagt, hat er vielleicht schon im Leben, im höchsten Masse aber nach seinem Tode erfahren. Fast alle Schriftsteller, die seiner Erwähnung thun, häufen auf ihn Schmach und stellen seine eigne Unsittlichkeit den strengen Urteilen über die Laster seiner Zeit und über einzelne Personen schneidend gegenüber. Wir müssen natürlich den Ursprung der über ihn verbreiteten Nachrichten und daraus den Wert der Quellen untersuchen. Dass er bei den Zeitgenossen einen üblen Ruf gehabt, gesteht er selbst ein C 3, 5, allein er weist auch ganz entschieden auf die Quelle hin, die politische Parteiung, der er sich nicht zeitig genug entzogen. Sollen wir ihm den Glauben versagen? Wir müsten ihn der Lüge zeihen; wer aber über sich selbst lügt, ist eines so unparteiischen und gerechten Urteils über andere, wie wir es in Sallusts Schriften finden, schwerlich mehr fähig und mindestens müste, wenn er selbst so gänzlich unsittlich gewesen wäre, wie geglaubt wird1), bei seiner klaren Verurteilung unsittlicher Zustände und Handlungen eine innere Umwandlung angenommen werden, mit welcher wiederum die Lüge über sein eignes Leben unvereinbar wäre. Wer nun aus Cicero's Briefen und Reden die Art kennen gelernt hat, wie die Parteikämpfe geführt, wie das Unsittliche am Genossen und um egoistischer Absichten willen geleugnet, beschönigt, verwandelt, am Feinde aber durch Lüge, Verdrehung, Entstellung nichts Gutes gelassen ward 2), und dann bedenkt, dass wir bei Cicero über Sallustius, der doch sein politischer Gegner war und in Milo's Fall ihn heftig mit angegriffen hatte, nichts nachteiliges findet, und dass nur einer, der vor seinem Auftreten als Geschichtschreiber mit ihm gelebt, Varro, eine Klatschgeschichte von ihm berichtet hat, der wird, wenn er einer Kritik fähig ist, der fama atque invidia gegen ihn schüchterner Glauben schenken, als seiner eignen Versicherung. Nach seinem Auftreten als Geschichtschreiber trat gegen ihn nach ausdrücklichem Zeugnis3) ein Freigelassner des grossen Gn. Pompeius, Lenäus, mit einer Satire voll der ärgsten Schmähungen auf; allein dasselbe Zeugnis sagt auch, dass die Liebe zu seinem Freilasser und Patron ihn angetrieben habe, den Geschichtschreiber, der jenes Charakter vom glänzenden Schein auf seinen wahren Gehalt zurückgeführt habe 4), und die gemeinen Schimpfworte, welche

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1) Von den neueren Gelehrten vertritt nur Gerlach diese Ansicht. 2) War es in Athen zu Demosthenes' und Aeschines' Zeit anders? Das römische Leben sicherte immer vor Lügen rücksichtlich der Herkunft und des Charakters der Vorfahren. 3) Sueton, de ill. gramm. c. 15. 4) Namentlich hatte Lenäus an der Aeusserung, dass

er gebraucht hatte1), charakterisieren sein Machwerk als das eines leidenschaftlich verbitterten und roh gemeinen Menschen. Wundern kann es uns nicht, wenn im Beginn der Kaiserherrschaft solche Nachrichten aus der Vergangenheit begierige Aufnahme fanden, da ja die Besiegten, ohnmächtig gegen die Sache und das Haupt, ihren verhaltenen Ingrimm an den nicht mehr zu fürchtenden Werkzeugen auszulassen pflegen. Weitere Verbreitung aber fanden die üblen Nachreden über Sallust durch die Unsitte, welche die sittliche Zerfressenheit der Kaiserzeit eben so beweist, wie gefördert hat. Die Beredsamkeit muste sich der freien Bethätigung im öffentlichen Leben entwöhnen, aber schöner und kunstvoller Vortrag galt immer als eine ehrenwerte Leistung und wurde fleissig geübt und begierig gehört. An die Stelle der orationes traten die declamationes, in der Form pikant und pathetisch, im Inhalt gewöhnlich ohne wahren dem Leben entnommenen Stoff. Für solche suchten die Rhetoren in ihren Schulen zu bilden, und was war anders zu erwarten, als dass sie über fingierte Fälle, am liebsten aus der Vergangenheit, um jede Verdächtigung zu vermeiden, Muster vorführen und Proben ausarbeiten liessen? Dass eine Menge solcher Schriften verbreitet wurden, war natürlich wollten und sollten doch andere daraus lernen und wenn es gelungen, solche mit dem möglichsten Anschein der Wirklichkeit zu bekleiden, so wurden sie wol entweder absichtlich für Werke dessen, dem man die Worte in den Mund oder den Griffel gelegt hatte, ausgegeben oder leichtgläubig dafür gehalten. Ueberliefert sind uns epistolae ad Caesarem senem de republica und eine oratio in M. Tullium Ciceronem, welche dem Sallustius, ferner eine responsio in G. Sallustium, welche dem Cicero zugeschrieben wird. Die erstere Rede wird zwar bei Quintilianus (inst. or. IV 1, 68) erwähnt, allein die Stelle erweist sich als ein verdächtiges Einschiebsel und die Kritik kann an der Unechtheit jener Schriftstücke, so wie an ihrem Ursprung aus den Rhetorenschulen nicht zweifeln. In der Schmährede gegen Cicero finden sich Vorwürfe, an deren Lügenhaftigkeit niemand gezweifelt hat und zweifelt, dagegen hat man lange alles, was in der angeblichen Antwort Cicero's steht, für Wahrheit gelten lassen. An und für sich scheint, wenn fingiertem fingiertes entgegengesetzt wird, das eine nicht mehr Glauben zu verdienen, als das andere 2); allein dieser natürliche Verdacht wird hier noch da

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Pompeius oris probi, animo inverecundo gewesen sei (h. i. 75) Anstoss genommen. Die überlieferte fama machte es ihm möglich, das Mittel gemeiner Menschen anzuwenden, statt factischer Widerlegung den Vorwurf in vollem Masse zurückzugeben.

1) lasturcum et lurconem et nebulonem popinonemque adpellans, et vita scriptisque monstrosum, praeterea priscorum Catonisque verborum ineruditissimum furem. Verdient, wer über Sallusts Stil und Bildung so verkehrt zu urteilen wagt, im übrigen vollen Glauben? — 2) Dies

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