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durch verstärkt, dass die Anklagen gegen Sallustius auf Lenäus zurückweisen, den wir mindestens für einen lauteren Gewährsmann nicht halten können. Dazu tritt ein innerer Beweggrund, der bei den Rhetoren als gegen Sallustius wirkend vorausgesetzt werden muss. Cicero war der Abgott der Rhetoren. Hat noch in unserer Zeit die Bewunderung seiner schönen Form und seiner den engen Fesseln des Römertums sich enthebenden Humanität der Anerkennung seiner Charakterschwächen und politischen Fehler entgegen gestanden, so kann man sich gewis nicht wundern, wenn dies bei Rhetoren der ersten Kaiserzeit noch viel mehr der Fall war. Schon die stilistische Verschiedenheit liess eine Entgegensetzung der beiden Männer geeignet erscheinen, um so mehr als eine Schule vorhanden war, welche Cicero als allein gültiges Muster nicht anerkannte, aber die Nachricht von Sallusts Auftreten gegen Cicero im J. 52, seine Thätigkeit für Cäsar, endlich die Wahrnehmung, dass er im Catilina dem grossen Redner den Ruhm, welchen dieser selbst, welchen noch vielmehr für ihn seine Nachbeter in Anspruch nahmen, nicht erteilt hatte, begründete den Glauben an einen wirklichen Kampf beider im Leben gegen einander, und dieser war als Fall zur Uebung der Schüler um so willkommner, als er nicht eine reine Fiction schien. Dass Sallustius dabei in den Cicero vergötternden Schulen schlechter, ja ganz schlecht wegkommen muste, war natürlich. Sind so die Quellen der misliebigen Urteile gekennzeichnet, so werden wir den späteren Schriftstellern, Macrobius, Lactantius, Symmachus gewis nicht den Wert glaubwürdiger Zeugen zugestehen, am wenigsten einer in sich fast widersinnigen, von keinem andern Schriftsteller berichteten Erwähnung des Hieronymus 1).

4. Mit dem begründeten Verdacht gegen die Lauterkeit der Quellen ist keineswegs entschieden, dass an den ungünstigen Nachrichten über Sallustius nichts wahres gewesen sein könne. Wir müssen daher das überlieferte genauer betrachten, dabei aber zur Gewinnung eines gerechten Urteils folgende Gesichtspunkte festhalten. Die Sünde und das Unrecht sind zwar unter allen Um

hat der treffliche Kritz in seinen Prolegomenis (Ausgabe Leipzig 1856) p. 8 ausgeführt.

1) Hieron. adv. Jovin. I p. 52 ed. Bas. berichtet, Sallustius habe Terentia, von welcher sich Cicero im J. 46 schied, geheiratet. Mit einer viel älteren Frau sich zu verehlichen könnte Sallust nur durch die Hoffnung auf politischen Gewinn oder zu erlangende Reichtümer bewogen worden sein, die Möglichkeit von beidem aber ist höchst unwahrscheinlich. Uebrigens war er damals ganz anders in Cäsars Dienst beschäftigt. Die Scheidung Cicero's von seinem Weibe ist eine Handlung, deren Motive am unbegreiflichsten sind; die Lügenhaftigkeit der Sophistik, welche die Kaiserzeit beherscht, macht die Erfindung eines Hirngespinstes zur Deckung oder Erklärung durchaus wahrscheinlich.

ständen zu verurteilen, allein die Verwerfung der That schliesst eine Entschuldigung oder doch mildere Beurteilung des Thäters nicht aus. Wie es ein grosses Lob ist, in einer verderbten Zeit sich von den im Schwange gehenden Lastern frei zu erhalten, so verdient derjenige, welcher sich von ihnen hat verführen lassen, eher Mitleid als Verdammung, zumal wenn ihm nichts zur Seite gestanden, was ihn über seine Zeit und deren Ansichten hätte erheben können. Sallust war Heide und Römer und hat deshalb ein Recht, dass wir nicht die sittlichen Forderungen an ihn stellen, welche wir an einen Christen und nach unsern Begriffen zu stellen haben. Da er die Unsterblichkeit der Seele und eine Vergeltung nach dem Tode zwar nicht leugnet, aber die Ansichten darüber unentschieden lässt 1) und mit Gewisheit nur den Ruhm als dasjenige anerkennt, wodurch der Mensch seine Natur zur Verwandtschaft und Aehnlichkeit mit den Göttern erheben könne, so dürfen wir ihm den Ehrgeiz und die Lust das Erdenleben zu geniessen und sich zu verschönern weniger hoch anrechnen, wenn er nur bei deren Befriedigung sittliche Schranken anerkennt. Prüfen wir nun von diesem Gesichtspunkte aus die Berichte über ihn. Die Responsio gibt ihm Schuld, er habe bei Lebzeiten seines Vaters dessen Haus verkauft 2). Es ist rein undenkbar, dass dies ohne Einwilligung oder vorherige Abtretung seiten des Vaters geschehen sei, und können wir dem Declamator höchstens so viel zugestehn, dass er so grosse Schulden gemacht habe, welche nach dem Antritt des väterlichen Erbes den Verkauf notwendig nach sich zogen, oder dass der Vater, um den Sohn von Schulden zu befreien, sein Besitztum aufgeopfert habe. Ganz gewis hatte der Vater ihm die Bildung verschafft, welche ihn auszeichnet (ob. 2), und deshalb gewis nichts dagegen, dass sein Sohn sich die Laufbahn im Staate erwählte. Aber konnte er anders zu den Ehrenstellen den Weg sich bahnen, wenn er nicht durch ein äusserlich glänzendes Auftreten und den geselligen Umgang mit den Söhnen der höheren und reicheren Familien die Aufmerksamkeit auf sich zog und die Fürsprache einflussreicher Männer sich gewann? Mochte er darin das gewöhnliche Mass nicht überschreiten und nichts an sich unsittliches begehen, dass seine Gegner, dass die von ihm ausgestochnen3) ihm daraus schwere Sünden und Verbrechen gemacht haben, ist nach der Beschaffenheit jener Zeiten nicht blos zu vermuten, sondern als gewis vorauszusetzen. Schlimmer erscheint die Kunde, welche uns Gellius aus Varro gibt 4). Milo vermälte sich mit Fausta, der Tochter des Dictator

1) C 51, 20 u. 52, 13; dagegen die Einleitungen zum Catilina und Jugurtha. 2) c. 5 p. 172 ed. Gerlach: domum paternam vivo patre turpissime venalem habuit, vendidit. 3) J 4, 4. 4) Gell. XVII 18: M. Varro, in litteris atque vita fide homo multa et gravis, in libro,

Sulla gegen Ende des J. 551), der Vorfall muss also in der Zeit von da bis zum J. 52 angenommen werden, da Milo im letzteren Jahre ins Exil gieng. War er der Ermordung des P. Clodius vorausgegangen, so wäre es rein unbegreiflich, dass Sall. gewagt haben sollte gegen Milo und Cicero aufzutreten; bedurfte es doch nur des Berichts der Thatsache, um ihn politisch und sittlich zu vernichten. Fiel er in die Zeit der Agitation um Clodius' Tod, SO erscheint ein vertrauter Umgang mit der buhlerischen Gattin des bekämpften fast unbegreiflich, wol aber scheint die Sache eine Erfindung, um das Zurücktreten Sallusts von der Aufregung gegen Milo zu erklären. Varro's Autorität kann um so weniger in Frage kommen, da er bekanntlich ein Freund des Pompeius war, wir aus dem dürftigen Auszug bei Gellius gar nicht wissen, wie er die Geschichte, ob mit voller Gewisheit und unter Berufung auf welche Zeugnisse, berichtet hatte, endlich die Sache selbst im geheimen zwischen Milo und Sallustius abgemacht gewesen sein muss, so dass nur dunkle Gerüchte ins Publicum dringen konnten. Doch wir wollen unsern und Sallusts Gegnern zugestehn, dass an der Geschichte etwas wahres gewesen sei, wir wollen selbst einräumen, dass Sallustius das Glück bei schönen Frauen gern gesucht habe, wir wollen dies sogar nicht mit den dissoluten Ansichten der meisten Römer entschuldigen2), wir machen nur geltend, dass er seine geistige und somit auch die körperliche Kraft nicht vergeudet hatte, sondern sich stark erhalten zum Werben um den Ruhm, dass wir ferner nicht wissen, er habe den Seinen Schande bereitet3), endlich, dass er die Zerfahrenheit, den Verfall aller Sitten, die Ausschweifungen mit einem Ernste rügt und beklagt, der uns zu schliessen zwingt, er habe die Unsittlichkeit und Schädlichkeit vollständig erkannt und auf die Fehltritte, welche er vielleicht selbst in dieser Hinsicht begangen, mit Reue zurückgeblickt. Wer sich der begangnen Sünden freut, sucht sie zu beschönigen; wer das Laster, dessen Fallstricken er selbst manchmal verfallen ist, offen kennzeichnet, der hat mit ihm gebrochen, er müste denn der niederträchtigste Heuchler sein. Einen solchen in Sallust sehen kann aber nur der, welcher Grösse der Geschichtschreibung nicht zu würdigen fähig ist.

quem scripsit Pius aut.de Pace, G. Sallustium scriptorem seriae illius et severae orationis, in cuius historia notiones censorias fieri atque exerceri videmus, in adulterio deprehensum ab Annio Milone loris bene caesum dicit, et (set?) cum dedisset pecuniam, dimissum. Nach den Scholiasten zu Hor. Sat. I 2, 41 hatte auch Asconius Pedianus das Geschichtchen erzählt, gewis aber es aus Varro geschöpft. Fälschlich beziehen sie die Stelle des Horatius darauf, wie Kritz am a. O. nachgewiesen hat.

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1) Drum. röm. Gesch. I S. 52. 2) Ueber Cäsar s. Momms. III 2 S. 429. 3) Wie hätte er sonst über Sulla J 95, 3 sagen können nisi quod de uxore potuit honestius consuli?

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5. Im J. 50 ward mit vielen andern Sallustius durch den Censor Appius Claudius wegen unsittlichen Lebens aus dem Senat gestossen1). Der selbst durchaus unsittliche, gemeinen Lastern fröhnende Censor kann uns so wenig als ein gerechtes Sittengericht über irgend jemand zu üben befähigt gelten, dass wir nichts weiter schliessen können, als Sallustius habe ihm scheinbare Vorwände zu seinem Verfahren gegeben, und selbst dies berechtigt nicht die Wahrheit der oben 4. erzählten saubern Geschichte anzuerkennen. Die Massregel beweist durchaus nicht, dass er in Unsittlichkeit die meisten seiner Zeitgenossen übertroffen habe, sie war vielmehr nachweisbar lediglich aus politischen Rücksichten hergeleitet. Die Pompeius und seine Partei bekämpft oder sich deren Unwillen zugezogen hatten, sollten entfernt und gedemütigt werden. Fragen wir darnach, wodurch Sallustius jenes gethan, so haben wir über die Vorfälle zwischen dem Volkstribunat und der Censur keine Kunde, wol aber müssen wir schliessen, dass sein Verhalten in jenem Amte die offene Feindschaft begründet habe. Das Interesse der demokratischen Partei hatte ihn zum Auftreten für den getödeten Clodius, welchen er gewis nicht geliebt und geachtet hatte, vermocht, als er aber erkannte wie Pompeius' Absichten durch jene Agitation nur gefördert würden, trat er davon zurück. Wir dürfen in den Worten des Asconius 2) redisse in gratiam cum Milone ac Cicerone wol nicht blos eine Versöhnung, sondern wol auch eine thätige Teilnahme an deren Widerstreben gegen Pompeius erkennen.

6. Sallustius begab sich nach Gallien zu Cäsar. Wie er hier an diesem die hochherzigen Eigenschaften kennen lernte, welche er C 54 so rühmend bervorhebt, so ward er durch das Vertrauen geehrt, welches jener ihm durch die Beauftragung mit wichtigen Geschäften bewies. Den Wiedereintritt in den Senat eröffnete seine Wahl zur Quästur 3). Gewis war für Cäsar, wärend er zum Kriege gegen Pompeius' Legaten nach Hispanien gieng, nicht gleichgültig, welchen Männern in Rom die Verwaltung der Staatskasse anvertraut war, und die Erlangung des Amtes gehörte deshalb zu den glänzenden Zeugnissen für Sallustius Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit. Als G. Antonius mit seinen zwei Legionen und P. Dolabella mit vierzig Schiffen auf der Insel Curicta (Veglia im Golf von Quarnero) durch die Flottenführer des Pompeius M. Octavius und L. Scribonius Libo bedrängt waren, führten zu ihrer Rettung Basilus

1) Dio XL 63. Appius Claudius hatte L. Calpurnius Piso zum Collegen, allein 52 hatte Pompeius' Schwiegervater und College im Consulat Q. Metellus Scipio das Clodische Gesetz vom J. 58, wornach zur censorischen Rüge die Uebereinstimmung beider Censoren notwendig war, aufgehoben, Dio XL 57. Ueber die Censur des J. 50 vgl. Drumann r. G. II S. 195 f. 2) ob. zu 2. 3) Vgl. die Anm. zu Č 17, 3. Resp. c. 6 u. 8.

und Sallustius Landtruppen aus Italien herbei, vermochten aber ebenso wenig, als der mit der Flotte aus dem tyrrhenischen Meer herbeigeeilte Q. Hortensius jene der Bedrängnis zu entreissen 1). Ob unser Geschichtschreiber dann Cäsar auf dem Feldzug des J. 48 begleitet und der Schlacht bei Pharsalos beigewohnt habe, darüber fehlen uns alle Nachrichten; doch dürfen wir aus dem, was er im folgenden Jahr aufgetragen erhielt, annehmen, dass er mit den gedienten Legionen Cäsars eine vertrautere Bekanntschaft gemacht hatte. Er war 47 zum Prätor designiert oder hatte dies Amt bereits für den Rest des Jahres übernommen, als die Legionen, welche Cäsar in Campanien und dem übrigen Unteritalien zum Kriege gegen die Pompeianer in Afrika versammelt hatte, sich empörten. Durch die Ruhe im herlichen Lande verwöhnt, scheuten sie einen neuen gefährlichen Kriegszug und hofften, indem sie sich für unentbehrlich hielten, durch das Begehren der Entlassung die Erfüllung der gegebnen Versprechungen und höhere Belohnungen zu ertrotzen. Cäsar sandte Sallustius an sie mit dem Auftrag, sie durch das Versprechen doppelter Summen zur Pflicht zurückzuführen. Die Soldaten begehrten augenblickliche Zahlung und gerieten gegen den Ueberbringer der Botschaft vielleicht redete er ihnen ernst und drohend ins Gewissen in solche Wut, dass er durch die Flucht sein Leben retten muste 2). Nachdem Cäsar (Ende 47 oder Anf. 46) in Afrika gelandet war, geriet er durch die Uebermacht der Feinde anfangs ins Gedränge und nicht die geringste Verlegenheit bereitete ihm der Mangel an Lebensmitteln. Er erteilte Sallustius den Auftrag mit einem Teile der Flotte die südwärts vor der kleinen Syrte gelegene Insel Cercina, wo die Feinde grosse Getraidevorräte hatten, wegzunehmen. Zwar ohne Kampf, aber gewis nicht ohne Geschicklichkeit vollzog er den Auftrag. Die Einwohner nahmen ihn gern auf und der Befehlshaber

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1) Oros. VI 15. Momms. r. Gesch. III2 S. 387. Fälschlich sind diese Vorgänge mit den Ereignissen in Illyricum nach der Pharsalischen Schlacht (b. Al. 42-46) verwechselt worden. 2) Dio XLII 52. App. b. c. II 92 p. 603 Bekk. Falsch ist es, wenn man Cic. ad Att. XI 20, 2 hiermit in Verbindung gesetzt hat: Etiam Sallustio ignovit [Caesar]. Omnino dicitur nemini negare: quod ipsum est suspectum, notionem eius differri. M. Gallius Q. F. mancipia Sallustio reddidit. Is venit, ut legiones in Siciliam traduceret: eo protinus iturum Caesarem Patris. Denn dieser Brief ist offenbar vor Cäsars Rückkehr nach Italien geschrieben. M. Gallius (auf diesen geht is venit) war von Syrien aus voraus gesandt um die meuterischen Legionen nach Sicilien zu führen (Drum. III S. 562). Der hier erwähnte Sallustius muss ein Anhänger des Pompeius gewesen sein, dem Cäsar Gnade und die Rückgabe seines Eigentums gewärt hatte. Hätte Cäsar dem Geschichtschreiber Sallustius sein Benehmen gegen die Legionen zu verzeihen gehabt, so müste er seinen Auftrag schlecht ausgeführt haben. In der Lebensgefahr, der er sich ausgesetzt, hatte Cäsar nur einen Beweis aufopfernder Treue.

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