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zu lassen, so habe ich nichts gegen die umstellung von xiv und xv einzuwenden. natürlich verdient dieser buchbinderisch-technische gesichtspunct ganz ebenso bei den oben besprochenen fragmenten berücksichtigung.

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An seine erste hypothese von sich ausschliefsenden milesund Ruodlieb-abschnitten lehnt Laistner eine zweite, dass nämlich der dichter erst während seiner arbeit sich zu dem namen Ruodlieb entschlossen habe. möglich ist das allerdings auch bei unserer anordnung der fragmente, vorausgesetzt dass v 223 ursprünglich würklich etwas anderes gestanden hat; der dichter kann während der arbeit das bedürfnis empfunden haben, seinem helden einen bestimmten namen zu geben. zwingende gründe, dies anzunehmen, liegen nicht vor. beweisen lässt es sich nicht. es ist auch vollkommen gleichgiltig für die beurteilung der dritten bypothese Laistners, die wir nunmehr zu besprechen haben. es soll nämlich nach ihm ein lateinisches, aber in der weise des Waltharius auf deutsche quellen zurückgehendes gedicht von Ruodlieb gegeben haben, welches er 'den alten Ruodliebys' nennt. ein stück dieses alten Ruodliebus' soll in unsern Ruodlieb übergegangen sein; die letzte partie nämlich von xvII 85 an sei nichts anderes als eine entlehnung aus jenem. was zunächst die existenz eines solchen lateinischen heldenliedes von Ruodlieb betrifft, so haben wir dafür erstens keinerlei zeugnis oder beweis. zweitens spielt die gestalt eines Ruodlieb in der heldensage überhaupt eine sehr unsichere rolle; die einzige stelle, in welcher ein solcher erwähnt wird, lässt es durchaus ungewis, ob wir in ihm den helden unseres gedichtes zu sehen haben (s. 78 f). seine ursprüngliche zugehörigkeit zur heldensage ist so zweifelhaft, dass Scherer (Litteraturgesch. s. 72) ihn sogar erst aus unserm gedichte in die heldensage durch spielleute übertragen werden liefs, und in keinem falle kann er sich dem in der sage festgewurzelten, weitberühmten, häufig genannten nationalhelden Walther auch nur annähernd vergleichen. dass aber das letzte stück unseres gedichtes von XVII 85 an ebenso gut eigentum des dichters ist wie alles vorhergehende, das lässt sich mit solcher sicherheit beweisen, wie überhaupt derartige dinge bewiesen werden können.

Laistner bezeichnet die art der vermeintlichen entlehnung

zuerst (s. 73) einfach als abschreiben aus der vorlage, dessen der dichter bald müde geworden sei. dann bemerkt er die verse XVII 119 ff, die, weil sie auf das vorhergehende zurückweisen, im 'alten Ruodliebus' nicht gestanden haben können, er bemerkt die zahlreichen rasuren (und correcturen) in xviii, und nun wird ihm aus dem ‘abschreiben' mit einem male ein 'bearbeiten' der vorlage, sei es nach der seite des inhalts, sei es nach der der form. wir werden eben durch diese rückweisenden verse und durch diese rasuren schon zu starkem verdacht gegen die richtigkeit der ganzen hypothese geführt werden; es wird gewichtiger beweise bedürfen, denselben zu heben. welches sind die von Laistner vorgeführten?

Der name Ruodlieb, sagt er, kommt in diesem letzten abschnitt allein mit kurzer letzter silbe vor. nun, ähnliches ist zb. bei monedula der fall, welches wort nur in der partie von v, in welcher die geschenke aufgezählt werden (136. 173), mit langer erster vorkommt, sonst richtig kurz ist x 76. xI 21 (nach letzter stelle auch x 71. 83). aufserdem aber ist der deutsche auch in den casus obliqui indeclinable gebrauch des namens, welchen wir im letzten abschnitt (xvu 100. 107. xvш 30) ebenso gut finden wie zuvor (x1 18), einem alten Ruodlie bus' doch wol kaum zuzutrauen. zweitens zeige die metrik neue gepflogenheiten. vers XVII 5 sei caesurlos und es komme sonst nicht ein fall vor, dass der reim mit dem fufsende zusammenfalle. letzteres ist einfach nicht richtig; denn 1 59 fällt das ende des dritten, Ix 48 das des zweiten und vierten, vu 20 und xvI 37 das des vierten fusses mit dem reime zusammen, und was die caesurlosigkeit betrifft, so ist einerseits auch x 48 ohne caesur denn weibliche anzunehmen verbietet eben der reim und andrerseits war der anfang des von Laistner vorgeführten verses, wie die correctur zeigt, vom dichter ursprünglich so concipiert: si non occideris me; bevor er die verhängnisvolle silbe ci niederschrieb, fiel ihm der unterschied zwischen occido und occido bei und er half sich nun durch umstellung, wie er in ähnlicher lage vii 5 uelque gewaltsam für atque eingesetzt hatte. dieser vers entbehrt also jeglicher beweiskraft. - drittens sei auch der sprachgebrauch ein anderer. sauia (xvII 101. 114) komme sonst nicht vor, nur basia oder oscula. das ist richtig. der eigentlich stehende ausdruck des dichters ist das biblische oscula, welches vierzehn mal

auftritt. basia setzt er dafür nur ein, wo die metrik es verlangt, nämlich wo vocalischer auslaut vorhergeht: Iv 163. vi 97. vi 81. xv 87 und nur einmal ausnahmsweise im versanfang v 582. wenn er dafür nun einmal sauia gebraucht (beide stellen haben nur den wert einer, weil die zweite lediglich die erste recapituliert), so wäre, wenn man überhaupt etwas daraus schliefsen will, höchstens das daraus zu schliefsen dass der dichter inzwischen seinen lateinischen wortschatz um dieses wort bereichert hatte und das neuerlernte nun auch verwerten wollte. doch haben wir zb. auch obrizum nur an einer stelle (130) gegenüber mindestens einem dutzend von beispielen für aurum. wie gefährlich es ist, aus solchen nur einmal vorkommenden worten weitgehende schlussfolgerungen zu ziehen, kann etiam zeigen. da diese partikel sich trotz zahlreicher quoque, insuper, uel und et nur an einer stelle findet, so würde sie, stünde diese stelle im letzten abschnitt, von Laistner ohne zweifel als beweis für seine hypothese in anspruch genommen werden. da es aber v 166 ist, wo sie vorkommt, so könnte jemand, der in dieser weise argumentiert, daraus die unechtheit des abschnittes v 164-173 beweisen, zumal derselbe nur eine höchst lästige widerholung von etwas schon weitläufig erzähltem enthält. ferner führt Laistner an dass zweimal das gerundiv zur umschreibung des fut. I pass. gebraucht werde (xviu 12. 14). für die erste stelle indessen muss ich trotz Laistners hinweis auf v. 9 die s. 124 gegebene erklärung aus dem deutschen gerundiv festhalten: ist zu gewinnen = kann gewonnen werden; auch die zweite stelle übersetze ich nicht: 'du wirst', sondern 'du sollst getötet werden'. aber selbst die erklärung L.s als richtig vorausgesetzt, dürfte man daraus doch noch nicht auf verschiedenheit des sprachgebrauchs schliessen, aus dem einfachen grunde, weil das fut. I pass. in dem gedichte überhaupt zufällig so gut wie gar nicht vorkommt, also auch nicht umschrieben werden konnte. nur 103 und v 508 findet es sich. an diesen stellen ist aber widerum die umschreibung danda est und despoliandus es, wie jedermann zugeben wird, eine bare unmöglichkeit, und zwar aus keinem andern grunde, als weil hier das deutsche gerundivum unmöglich ist. einmal dagegen aber nicht in dem von L. als entlehnt in anspruch genommenen abschnitte hat das attributiv gebrauchte gerundivum reine futuralbedeutung: v 385, wo sponsae accipiendae

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nicht heifsen kann 'welche du bekommen musst' sondern ‘wirst'. von allen vermeintlichen beweisen für einen andern autor des heldenabschnittes bliebe nun noch der, dass der name Ruodlieb in ihm dreimal klein geschrieben worden ist, was im übrigen gedicht zwar nicht gerade bei diesem, wol aber bei andern eigennamen häufig genug der fall ist (Laistner s. 71). daraus auf einen andern verfasser des heldenabschnittes und auf eine schriftliche vorlage zu schliefsen geht nicht an. um so weniger, weil dieser abschnitt in metrischer, sprachlicher und stilistischer beziehung dem übrigen gedichte vollkommen gleich ist, und zwar auch in solchen dingen, die nicht aus einem allgemeineren gebrauche der zeit, sondern aus der neigung und gewohnheit des individuums entspringen.

In metrischer beziehung finden wir in dem letzten abschnitte nicht nur die vermeidung der elision (s. 154) und die caesurverlängerung (s. 155), sondern auch dasselbe verhältnis zwischen penthemimeres und trithemimeres mit hephthemimeres (s. 164), zwischen ein- und zweisilbigem, zwischen reinem und unreinem reim (s. 143 ff), wie im ganzen gedicht. wir finden in ihm wider die neigung, einsilbige pronomina in den reim zu setzen (xvII 116. XVIII 14. 25. 32; vgl. s. 149), ferner die neigung, dasselbe wort in zwei auf einander folgenden versen unmittelbar vor der caesur zu widerholen (xvш 26f; vgl. s. 151 unten). was dann den sprachgebrauch betrifft, so haben wir im letzten abschnitt so gut wie im ganzen gedicht unter andern das fut. für das praes., das fut. I für das fut. 1, den conj. perf. für praes. (vgl. die stellen s. 121), fueram für eram, das plusquamperf. für perf. (s. 122). sodann haben wir neue für neque (xvII 24), bini für duo (xvш 6; s. 112) sowie mehrere specielle lieblingsausdrücke des dichters, namentlich das so ungemein beliebte cito (xvi 5), ferner niueus (XVII 98 wie zb. 1 27. v 85), speciosus (xvII 98 wie zb. v 95. 476. VII 68. 69), post modicum (xvII 98; vgl. s. 117 oben). undique steht xv 1 als fünfter dactylus wie 1 63. 49. Iv 84. 138. 'nach allen seiten

152. v 2. ep. u 2 und zwar in der bedeutung hin' wie u 11 (s. anm.). der verkürzte abl. gerund. wird zur bildung des fünften dactylus benutzt (xvII 113. xvm 30; vgl. s. 126 unten). tuimet steht XVIII 17 und zwar mit verkürzter penultima wie xv 49. xvi 25 suimet, während bis xv -met nur an sibi, tibi, se und ipse angehängt vorkommt, wider ein fall, wo

der dichter während seiner arbeit zu neuen wortbildungen, zu neuen prosodischen eigentümlichkeiten vorgeschritten ist. endlich teilt der letzte abschnitt auch die vorliebe für die relativische anknüpfung (xvII 3. 30), die dem ganzen gedicht so characteristisch ist (s. 118). auch die darstellungsweise des letzten abschnittes, so kurz derselbe ist, spiegelt dennoch die eigentümlichkeiten unseres dichters ganz deutlich wider. echt ruodliebisch ist erstens die widerholung des traumes mit allen details (xv 109 bis 114) im berichte der mutter (vgl. s. 194 f) und zweitens die neigung, den fluss der erzählung, oft auch der construction, durch ganze verse, welche parenthetisch eingeschoben werden, zu unterbrechen, wie dies xvIII 8 geschieht (Iv 62. 90. v 184 ff. 530. vu 46. VIII 2. 60. 98).

Diese gleichheit in versbau, sprache und stil muss jeden zweifel daran, dass auch der letzte abschnitt ganz und voll das eigentum des dichters ist, beseitigen; die hypothese, dass derselbe aus einem andern gedichte, sei es auch mehr oder weniger verändert, entnommen sei, vermag dieser tatsache gegenüber nicht stich zu halten. ob der dichter sich den namen seines helden frei gewählt oder aus einer deutschen sage entlehnt hat, ob es überhaupt eine einiger mafsen ausgebildete und verbreitete volkssage von einem Ruodlieb gegeben hat, das sind fragen, die wol fürs erste und vielleicht für immer unbeantwortet bleiben werden, das phantom eines alten lateinischen Ruodliebus, denke ich, ist aber endgiltig beseitigt.

Zum schlusse möge mir die verbesserung einiger in meiner ausgabe stehen gebliebener druckfehler gestattet sein: s. 73 z. 24 1. arte st. artem. s. 89 z. 1 1. 283 st. 284. 1. 74 st. 77.

1. pilus st. plus.

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s. 135 z. 17 1. 107 st. 104.

s. 294 z. 2 1. Qui st. Quo.

Trarbach, den 31 december 1882.

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s. 117 z. 4 s. 274 z. 24

F. SEILER

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