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LITERATUR-ZEITUNG

VOM JAHRE

1839.

ODENSE
KATHEDR.SKOLES
BIBLIOTHEK

ERSTER BAN D.

JANUAR bis A PRI L.

HALLE,

in der Expedition dieser Zeitung
bei C. A. Schwetschke und Sohn,

und LEIPZIG,

in der Königl. Sächs. privil. Zeitungs- Expeditio n.

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1.

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2

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

BIBLISCHE LITERATUR.

Januar 1839.

BRESLAU, b. Max u. Comp.: Der Prophetismus der Hebräer vollständig dargestellt von August Knobel, Dr. der Phil. Lic. u. ausserord. Prof. d. Theol. zu Breslau (jetzt D. und ord. Prof. der Theol. zu Giessen). Erster Theil. 1837. VIII u. 440 S. Zweiter Theil. 1837. 426 S. 8. (3 Rthlr. 8 gGr.) Es ist eine unläugbare und auch allgemein zuge

standene Thatsache, dass es uns bei der übergrossen Menge von Schriften aller Art über das Alte Testament gerade noch an der Hauptsache fehlt, au einer pragmatischen Geschichte der hebräischen Literatur. Unsre Einleitungen, selbst die bessern, sind nur ein Aggregat von ,, gewissen Vorkenntnissen" [de Wette] zum Bibelstudium, ein,, Mancherlei" [Schleiermacher] welches immer eines wahren wissenschaftlichen Princips und nothwendigen Zusammenhangs entbehrt, und welches weder dem Literator, noch dem Geschicht forscher noch dem Philosophen genügt. Denn, was den Theologen selbst betrifft, so will es uns bedünken, dass jene Einleitungen in unsrer Zeit für ihn überhaupt nur in sofern geschrieben sind, als er eines von jenen dreien ist, da die eigentlich theologischen Fragen, welche man früher noch in der Critica sacra abhandelte, jetzt in das Gebiet der Dogmatik verwiesen sind. Unter einer pragmatischen Geschichte der hebräischen Literatur verstehen wir aber eine Darstellung der Entwicklung des Geistes des hebräischen Volkes, wie sie sich aus den vorhandnen schriftlichen Denkmälern desselben erkennen lässt, und wodurch nicht nur jede einzelne Schrift in ihrer eigenthümlichen Stelle und Bedeutung für sich betrachtet wird, sondern auch in ihrem organischen Zusammenhange mit dem Vorhergehenden und mit dem Nachfolgenden, was durch sie vermittelt worden. Wenn es wahr ist, dass die Literatur einer Nation ein beredtes und vollgiltiges Zeugniss ablegen kann für den Geist und den Charakter derselben, so kann es für keine Nation wahrer seyn als für die hebräische, deren Literatur so wenig, und in der ältern Zeit so gar nicht unter dem Einflusse einer fremden Na

tionalität gestanden hat. Wenn es wahr ist, dass die pragmatische Geschichte eines jeden Volkes denjenigen Punkt hauptsächlich ins Auge fassen muss, in welchem das Gesammtleben desselben culminirt hat, welcher ihm seine eigenthümliche Rolle in dem grossen Ganzen der Geschichte der Menschheit anweist, so hat die Geschichte der Hebräer eben die Literatur dieses Volkes zum eigentlichen Gegenstand und zum Mittelpunkt ihrer Untersuchungen

und Darstellungen zu machen. Denn nicht durch politische Grösse und Selbstständigkeit, nicht durch materielles Einwirken auf den Gang welthistorischer Begebenheiten, nicht durch Kunst und Wissenschaft, Handel und Erfindungen, nicht durch Klugheit des Staatshaushalts oder musterhafte und lehrreiche Ausbildung einer bürgerlichen Verfassung haben sich die Hebräer einen bedeutenden und vom Wechsel menschlicher Urtheile ungefährdeten Namen erworben, wohl aber als Träger religiöser Ideen, als Inhaber eines geistigen Gutes, welches, wo nicht in ihrer Mitte zuerst entstanden, doch unter ihnen ausgebildet, und jedenfalls durch sie der Welt und Nachwelt zum Bewusstseyn gekommen ist. Diese Ideen aber, sofern sie Gegenstand geschichtlicher Erörterungen seyn können, sind unzertrennlich an die Schriften geknüpft, welche aus dem Schoosse jenes Volkes hervorgegangen ganz eigentlich den Maassstab abgeben müssen für die Beurtheilung seines Ranges unter den Nationen. Die politische Geschichte der Hebräer wird, in Betracht der Dürftigkeit der Quellen und der geringen Wichtigkeit der Ereignisse, immer Stückwerk bleiben und je länger desto weniger bearbeitet werden, wenn man sie nicht im Interesse vorgefasster Urtheile oder gar a priori (wie der Vf. der „, Staatsverfassung der Israeliten") schreiben will. Die Geschichte der hebräischen Literatur aber ist ein neuer, grossartiger, unsres Jahrhunderts würdiger, und demselben vielleicht erreichbarer Gegenstand; ein Gegenstand der dem Ref. herrlich genug geschienen hat, um zum Mittelpunkte umfassender wissenschaftlicher Beschäftigungen gemacht zu werden. Dass diese Geschichte nicht damit anfangen werde, zu lehren,

was der Ausdruck Vetus Testamentum bedeute; dass sie nicht von einer Sammlung heiliger Schriften sprechen werde, ehe man die Schriften kennt welche gesammelt werden sollen; dass sie nicht die Reihe derselben mit den Büchern Mosis beginnen werde, um nachher naiv zu erklären, dass diese Bücher verhält nissmässig zur jüngern Literatur gehören, dies und ähnliches mehr braucht hier nicht erinnert zu werden. Das aber muss ausdrücklich gesagt werden, dass die se Geschichte weder mit Maleachi uoch mit dem hohen Liede, und eben so wenig mit dem Gesang der drei Männer im Ofen aufhören dürfe, wenn sie nicht einem Baume gleichen soll, welcher der Hälfte seiner Zweige und Blätter beraubt wäre; dass sie vielmehr alles begreifen werde und müsse, was organisch aus derselben Wurzel, auf demselben Stamme erwachsen ist; dass sie das Hebräervolk begleiten werde auf seiner endlasen Wanderung um die Erde, überall in der wachsenden Fluth seiner geistigen Erzeugnisse den immer bleichern Abglanz der einst so lebendigen gottentstammten Idee betrachtend; zuschauend der freudenleeren und nutzlosen Anstrengung, womit zwei Jahrtausende aus den erschöpften Adern des einst so reichen Schachtes nur todtes und bröckelndes Gestein zu Tage gefördert haben, eine Anstrengung worüber sie alles, alles verloren, nur nicht die Erinnerung und die Hoffnung. Aber auch die schönste Krone des Baumes, das edelste Reis gepfropft auf den alternden, sterbenden Stamm, das Neue Testament, gehört mit in die Geschichte, nicht nur weil es durch sie erklärt wird, sondern am meisten weil sie durch dieses ihre wahre Weihe enthält.

Allerdings wird man uns bemerken, dass eine solche Geschichte unmöglich ist, so lange über die meisten dahin gehörigen speciellen Fragen, besonders in Betreff des Alters und der Integrität vieler wichtigen Theile des A. T. die Stimmführer unter den Kritikern noch so divergente Ansichten aufstellen. An dieser Bemerkung ist so viel wahr, dass nicht blos die Auffassung des Ganzen aus diesem oder jenem Gesichtspunkte, sondern auch schon die Einschaltung des Einzelnen an diesem oder jenem, nach subjektiven Gründen gewählten, Orte vielfache Einsprache erfahren wird. Allein dies ist ja auch der Fall mit der Einleitung ins A. T. im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Jeder Kritiker muss sich doch nothwendig Rechenschaft geben von dem relativen Werthe aller Elemente seiner kritischen Ueberzeugung; jeder muss also, sofern es ihm nicht an Urtheilskraft gebricht, in allen controversen Fragen, wenigstens in allen wichtigen, zu irgend einem Resultate kom

men; aber ist er so weit und hat die geistige Fähigkeit dazu, so wird or auch aus dem zerstreuten Einzelnen das Ganze zu konstruiren wissen. Baustücke, gross und klein, zahllos und in unzähliger Form hat der Scharfsinu und Fleiss der letzten 60 Jahre zusammengeschleppt. Jetzt gälte es, dass der Philosoph den Grund zum Hause legte, der Historiker die Stücke ordnete und einfügte, der Aesthetiker die äussere Gestaltung des Gebäudes mit geübtem Blicke begleitete. Wer doch hoffen dürfte hier sein Meisterstück zu machen!

Aber selbst ein Versuch dazu existirt in der deutschen Literatur nicht, und in welcher andern wollte man ihn suchen? Eine Ahnung der Aufgabe hatte Spinoza in seinem Tractatus theologico-politicus, allein sein Zweck war zu beschränkt, seine Richtung zu einseitig, seine Mittel zu unvollständig. Einen kühnen Griff, aber zu kühn für die wissenschaftlichen Hilfsmittel seiner Zeit that Nachtigal (Otmar) in seinen berühmten Fragmenten über die allmählige Bildung der den Israeliten heiligen Schriften: an einzelnen Perioden versuchten sich unter andern Paulus (,, über den Ursprung der althebräischen Literatur") und Hartmann („, die enge Verbindung des A. T. mit dem Neuen") letzterer dem Stoffe nach dem Ziele näher als die übrigen, aber dem Geiste, der Idee nach eben sofern: andre (Lowth, Herder) haben sich eine einzelne Gattung in der Literatur gewählt und diese wenigstens als ein Ganzes zu behandeln gestrebt, wenn auch nicht gerade aus historischem Gesichtspunkte. Unter allen Gattungen aber, die hier zur Wahl freistanden, vergleicht sich keine in Hinsicht auf religiöses, literärisches und politisches Interesse der prophetischen Literatur. Man mag die hebräischen Propheten, halten für was man will, für Seher, Redner, Dichter, Sänger, Asceten oder Demagogen, gewiss ist und bleibt dass sie die hebräische Religion gebildet, die Geschichte geleitet und die Literatur gemacht haben. So viel Gutes, Mittelmässiges und Schlechtes aber auch im Ganzen und Einzelnen über die Propheten geschrieben worden ist von Spinoza und Witsius bis auf de Wette und Hengstenberg, so fehlte es doch immer an einem Werke, welches den Gegenstand zusammenfasste und auf den Grund einer sorgfältigen und genauen Zusammenstellung aller überlieferten Thatsachen eine richtige Vorstellung von dem Wesen und Wirken jener ehrwürdigen Reihe von Volksführern entwickelte. Auch der Vf. des vorliegenden Werkes fühlte diese Lücke und stellte sich die Aufgabe,, den Prophetismus der Hebräer nach allen wesentlichen Beziehun

Der

gen zu entwickeln, also ein nach Möglichkeit voll- Propheten recht eigentlich die theokratischen Lehrer ständiges, zugleich aber in sich zusammenhängendes des Volkes in religiöser, moralischer und politischer Bild desselben aufzustellen." Dass wir seinen Ver- Hinsicht, Sprecher für Jehova und Mosaismus. such, diese Aufgabe zu lösen, nicht mit demjenigen Maasstabe messen dürfen, welchen uns jenes aufgestellte Ideal einer Geschichte der hebräischen Literatur an die Hand geben müsste, ergiebt sich hieraus schon von selbst; aber abgesehn davon mögen wir dies Buch als einen sehr willkommnen Beitrag zur Aufführung des grössern Bauwerkes begrüssen.

Als leitende Grundsätze bei der Ausarbeitung giebt der Vf. vorzüglich zwei an, einmal den dass er den Prophetismus,, als eine eigenthümliche Erscheinung bei dem hebräischen Volke" behandelte ohne Vermischung mit analogen Erscheinungen bei andern Völkern, und dann dass er denselben,, in seiner objektiven Wirklichkeit, ohne vorgefasste Meinung, und namentlich unabhängig von einer bestimmten schulphilosophischen Ansichtsweise" zur Anschauung brächte. Da den Bedenklichkeiten, welche gegen die allzustrenge Anwendung des ersten Grundsatzes erhoben werden könnten, durch die beigefügten Randbemerkungen einigermassen begegnet ist, so werden wir hauptsächlich darauf zu sehn haben, wie der Vf. dem zweiten Grundsatz in der Ausführung nachgekommen ist. Ehe wir aber zur Beurtheilung selbst schreiten, wollen wir unsern Lesern eine Uebersicht von dem Inhalte des reichhaltigen Buches verschaffen.

Die Einleitung ist bestimmt den Begriff des Prophetismus festzustellen und entwickelt denselben genetisch aus dem, von der sinaitischen Gesetzgebung sich herschreibenden, theokratischen Nationalbewusstseyn der Hebräer, in sofern diese, trotz aller Neigung zum Götzendienste, dennoch fortwährend von ihrem Verhältniss inniger Zusammengehörigkeit mit Jehova überzeugt waren. Aus diesem Verhältniss ergab sich von selbst die Nothwendigkeit einer menschlichen Vermittlung und Vertretung des himmlisch unsichtbaren Königs bei seinem Volke, zu welcher sich diejenigen berufen fühlten, welche das Walten eines höhern Geistes in sich erkannten, mit höherer Einsicht begabt, und von dem Bewusstseyn durchdrungen waren dass sie auserwählte Organe Gottes seyen. Sonach ist Moses der Gründer des Prophetismus, doch mehr als Urtypus der spätern Propheten denn als Stifter des Prophetenstandes, welchen letztern erst Samuel stiftete, als die von Mose angeordneten Verwalter der Theokratie, die Priester, ihre Wirksamkeit mehr auf die Aufrechthaltung der theokratischen Formen beschränkten. So wurden die

Der erste Theil zerfällt in 4 Abschnitte. erste handelt von den äussern Verhältnissen der Propheten, nämlich von ihrer Lebensweise, ihrer Tracht; von ihrem Geschäft als Volksredner, Priester, Wahrsager, Aerzte, Thaumaturgen, Schriftsteller; von ihrer Vorbereitung, Berufung, Weihung, Wirksamkeit, in Person oder durch „, Knappen", von ihrem Ansehn und von ihren Leiden, endlich von den Prophetinnen. Der 2te Abschnitt bespricht das Wesen des Prophetismus, und erörtert zuerst etymologisch die Namen der Propheten, und historisch den Begriff von dem Geiste Gottes, und führt sodann die Propheten uns vor als Gottbegeisterte, als in Ekstase und Vision Versetzte, als Gotterleuchtete, als Gottbeauftragte; redet von ihrem Beruf und Charakter, und endigt mit einem Anhang über falschen Prophetismus und Wahrsagerei. Der 3te Abschnitt, vom Inhalt der prophetischen Reden, giebt uns was, unsre Alten eine theologia prophetica würden genannt haben, also einen Abschnitt zur biblischen Dogmatik und Moral. Er handelt der Reihe nach von ihren allgemeinen und theokratischen Glaubenslehren, von ihren Sittenlehren und politischen Grundsätzen, von ihren Weissagungen, theokratischen Hoffnungen und deren Erfüllung, insbesondere von den messianischen Erwartungen. Der 4te Abschnitt endlich charakterisirt die prophetische Darstellung, in sofern sie bald lebhaft - anschaulich, bald bildlich, bald symbolisch, bald parabolisch war, wobei auch über poetische Diktion, Paronomasie, Wortspiel und Prosodie geredet wird, und schliesst mit Paragraphen über Vortrag, Symbolik, Aufzeichnung und Sammlung der prophetischen Reden.

Dieser erste Theil ist somit analytisch und schildert den hebräischen Prophetismus als eine Gesammterscheinung nach ihren einzelnen Elementen, Verhältnissen und Formen. Der zweite Theil ist historisch, oder synthetisch und lässt denselben als eine fortlaufende Erscheinung nach seiner Entstehung, Entwicklung und Vollendung in der Zeit vor unsern Augen vorübergehn. Die Einleitung nimmt als terminus a quo dieser Geschichte den Samuel an, und als terminus ad quem den Maleachi, so dass dieselbe auf einen Zeitraum von 700 Jahren beschränkt wird. Dieser Zeitraum wird sodann in vier Perioden getheilt, wovon die erste die ältere heisst und bis zum Jahr 800 geht. Der Vf. fängt mit Samuel an, untersucht die Geschichte seiner Prophetenschulen und sammelt

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