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UNIV. OF

VINNOQUITVO

Jahresbericht

der

evangel, höheren Bürgerschule

in

DÜREN

über das Schuljahr von Ostern 1880-1881,

zugleich als

Einladungsschrift zu den öffentlichen Schulprüfungen

am 5. April 1881.

[ 47

INHALT:

Dr. A. Vollmer: Die Quellen der dritten Dekade des Livius.
Schulnachrichten von dem Rektor.

1881.
Düren, Progr. 418.

Düren, Druck von M. Becker.

UNIV. OF
CALIFORNIA

PA6459
V6

A. Vollmer:

Die Quellen der dritten Dekade des Livius.

Die Untersuchungen über die Quellen der dritten Dekade des Livius sind deshalb ebenso wichtig wie anziehend, da sie uns einerseits die Geschichte des gewaltigsten Kampfes der römischen Republik mit ihrer mächtigen maritimen Rivalin Karthago und die edelsten und tapfersten Heldengestalten beider Staaten vor Augen führen und da sie andererseits an die ersten Anfänge der römischen Historiographie anknüpfen. Q. Fabius Pictor, der Herodot der römischen Geschichte und Ennius, der Homeros des römischen Volkes, lebten zur Zeit des zweiten punischen Krieges; Coelius Antipater 1), der Thukydides der römischen Geschichte, schrieb ein Jahrhundert später die Geschichte dieses Krieges gleichzeitig mit Polybius, der, wie sein Vorbild Ephoros, eine Universalgeschichte, eine ioτogía xαdolixý, die mit den punischen Kriegen begann, verfasste und pragmatisch das Werden und Wachstum der römischen Weltherrschaft darstellte.

Den Werken der griechischen Geschichtschreiber hat ein besserer Stern geleuchtet als denen der ersten römischen, die bis auf einen kleinen Teil des Polybianischen Geschichtswerkes sämmtlich verloren gegangen sind, und deren Spuren in den Werken der späteren römischen Historiker aufzusuchen, der modernen Quellenkritik obliegt. - Diese späteren Bearbeitungen der römischen Geschichte und speciell des Hannibalischen Krieges sind ziemlich zahlreich; aber auch sie sind entweder sehr kurz oder sehr fragmentarisch. Die beste und ausführlichste, auch vollständig erhaltene Geschichte jener Zeit liegt eben in der dritten Dekade des Livius vor, und so ist schon seit längerer Zeit die Untersuchung, woher Livius seine Nachrichten geschöpft hat, ein Lieblingsthema der Quellenkritik geworden, wobei jedoch die Meinungen der verschiedenen Gelehrten häufig sehr von einander abweichen.

Ehe wir jedoch auf das eigentliche Thema kommen, gilt es, zuerst noch einen kurzen Blick

1) cfr. Peter proll. F. R. H. p. 69 f.; p. 213 f. - Müller F. G. H. III. 80 f. über Fabius und Coelius etc. Leben, Schriften und die geringe Zahl der Fragmente römischer und griechischer Historiker.

50700.

auf die übrigen uns erhaltenen Geschichtschreiber des Krieges zu werfen, möglichst festzustellen, auf welchem Grunde diese basieren.

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1. Polybius schrieb wie sein Zeitgenosse Coelius Antipater unter dem Einflusse der Scipionen gegen die Fabische Darstellung. - Den Fabius hat Polybius gewiss nicht ganz bei Seite geworfen, jedoch aus mündlichen und schriftlichen Berichten aus dem Scipionenkreise rectificiert; so beruft er sich besonders für die Kriegsereignisse in Spanien auf die Zeugnisse der Zeitgenossen und einen Brief Scipios an König Philipp (10. 9. 3); auch in Rom und in Italien befindliches inschriftliches Material zog er heran (3. 22-27; 3. 33. 17 f.). Seine Hauptquelle aber war der Sikuler Silenos von Kallakte 1), der im Lager Hannibals den Krieg mitmachte; allerdings erwähnt er diesen nie direkt, sondern nur umschreibend z. Β. 3. 48. 12 διὰ τὸ περὶ τῶν πράξεων παρ αὐτῶν ἱστορηκέναι τῶν παρατετευχότων τοῖς καιροῖς“, ferner 3. 85. 8 τοῖς παραγενομένοις ἐφ' ἑκατέρων τῶν καιρῶν. 3. 105. 8-9. - 3. 47. 6 ἔνιοι τῶν γεγραφότων περὶ τῆς ὑπερβολῆς τῶν Αλπεων. Für die sicilische Geschichte benutzte er noch die Specialgeschichten der λoyoyo̟ágoɩ (7. 7. 2), zu denen Baton aus Sinope (Müller F. G. H. IV. p. 349 ff.) und die Geschichte Hannibals des Eumachus aus Neapel (Müller F. G. H. III p. 102) gehört haben mögen.

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2. Cornelius Nepos hat in seinen Biographieen des Hamilkar und Hannibal vielfach den Polybius ausgeschrieben, wahrscheinlich in dem Auszuge, den M. Brutus verfertigt hatte und der in den Kreisen des Cicero und Atticus eifrig gelesen ward, dabei andere Nachrichten bei seiner grossen Belesenheit und seinen Verbindungen mit jenen Kreisen vielfach eingeflochten.

3. Plutarch folgt in seinen Biographieen Fabius und Marcellus wahrscheinlich u. A. dem Coelius, wie Soltau 2) nachzuweisen gesucht hat. Vielfach ist die Uebereinstimmung mit Livius aber derartig, dass man an eine directe Benutzung des Livius denken darf, da dieser auch dreimal (Marc. 11. 24. 30) citiert wird und er und Valerius Antias, den Plutarch sonst mehrfach in den römischen Biographieen citiert 3), zu den ,,tàs diɛžodinàs roáyavres iorogías" (Fab. 15) gehört. — Der mehrfach erwähnte Posidonius ist wohl nur gelegentlich genannt und gehört nicht zu Plutarchs Hauptquellen, als welche Livius und Valerius Antias gelten dürfen. Dass Plutarch keine sehr tief gehenden Quellenstudien angestellt hat, zeigt das Verzeichnis seiner Quellen über die Bestattung des Marcellus (M. 30), wo die Zeugnisse des Cornelius Nepos und Valerius Maximus denen des Livius und Augustus entgegen gestellt werden.

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4. Dio Cassius und sein Excerptor Zonaras, der in seinen Annalen (8. 21 9. 14) den Hannibalischen Krieg erzählt, haben diesen ganzen Abschnitt, wie die Untersuchungen von Posner 4) nachgewiesen haben, dem Werke des Coelius entlehnt. Nicht nur lassen sich so der von Livius. abweichende Gang der Erzählung und die zahlreichen Zusätze am besten erklären, sondern eine ganze Reihe Coelischer Fragmente findet sich gerade bei Zonaras wieder ; so die jetzt allgemein auf Coelius zurückgeführte Charakteristik Hannibals (Liv. 21. 3 Dio C. 54. 1-11), Hannibals Traum (Coel. f. 11 Zon. 8. 22 p. 181), Hannibals Poübergang (Coel. f. 18 = Zon. 8. 24 p. 184), das

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1) Müller F. G. H. III p. 100 cf. C. Böttcher kritische Untersuch. über die Quellen des Livius im 21. und

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2) de fontibus Plutarchi in secundo bello Punico enarrando. Bonn 1870.

3) Peter F. R. H. f. Val Ant. 3, 7, 12, p. 237 f.

4) Posner, quibus auctoribus in bello Hannibalico enarrando usus sit Dio Cassius. Bonn 1874.

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Erdbeben während der Schlacht am Trasimenischen See (Coel. f. 20 Zon. 8. 25 p. 189), die Dictatorwahl des Fabius durch das Volk (Coel. f. 21 Zon. 8. 26 p. 190 dixtároga avtoì ¿v ¿xxλyoíg áveīπov), Maharbals Rat nach der Schlacht bei Cannae (Coel. f. 25 = Zon. 9. 1 p. 199), die Gefangennahme des Hanno bei Salaeca (Coel. f. 42 Zon. 8. 12 p. 235, Dio C. f. 57. 66). — Daher lässt sich wohl mit Recht die ganze Erzählung des Dio Zonaras auf Coelius zurückführen. 5) Weit schwieriger ist die Frage über die Quellen des Appian in seiner Libyke, Iberike und Annibaike. — Mommsen hat in letzterer Zeit 1) auf Cassius Hemina als Quelle Appians hingewiesen und möglich ist es, dass dieser auch für die Königsgeschichte und die ältere Zeit als solche zu betrachten ist. Doch muss man sich mit dem grossen Forscher der römischen Geschichte einstweilen damit begnügen,,,den Appian gegenüber der übrigen Masse als den Repräsentanten der besten Familie der römischen Geschichtsinterpolatoren zu betrachten, welche Stellung übrigens überall, wo er für die ältere Zeit aus römischen Berichten schöpft, deutlich hervortritt." Für die Geschichte des zweiten punischen Krieges hat man den Fabius Pictor (App. Ann. 27 tòv ovɣygagéa twvde Tov oyov) als Gewährsmann Appians angenommen; 2) dem steht nur entgegen, dass das einzige Fragment des Fabius über den Krieg selbst bei Liv. 22. 7, wonach die Römer am Trasimenischen See 15000 Tote, 15000 Gefangene einbüssten, gerade im Widerspruche steht mit App. Ann. 10, der den Verlust der Römer auf 20000 Tote, 10000 Gefangene angiebt.

Wahrscheinlicher ist es, dass Appian auf einen späteren römischen Annalisten zurückgeht, der die Fabische Grundanschauung vom zweiten pun. Kriege repräsentiert, im Einzelnen aber sehr von allen anderweitigen Nachrichten in Zahlenangaben und historischem Detail abweicht. — Wiederholt hebt Appian die Thaten der Sempronier rühmend hervor, so die Kriegsfahrten des Consuls Ti. Sempronius Longus im J. 218 (Iber, 3, Ann. 6), den Tod des Proconsuls Sempronius Gracchus im J. 212, wo er den Namen des verräterischen lukanischen Gastfreundes Flavius und die nähern Umstände des. Todes am genausten erzählt (Ann. 35), die Nachricht, dass ein Cn. Sempronius gegen alle andere Ueberlieferung - nach der Schlacht bei Cannae, als man in Rom nicht in die Auslösung der Gefangenen einwilligen will, seinem Eide getreu, in's karthagische Lager zurückkehrt, (Ann. 28), dass ein P. Sempronius an der Spitze von 10,000 Mann nach derselben Schlacht aus dem grösseren römischen Lager nach Canusium sich durchschlägt (Ann. 26). Daher ist vielleicht ein der gens Sempronia nahe stehender, ihr angehöriger Annalist Sempronius Tuditanus oder Sempronius Asellio als Gewährsmann Appians anzusehen. Gerade der letztgenannte römische Annalist, der, wie er in seiner Einleitung sagt, (Semp. Asell. f. 1-2) nicht Annalen im althergebrachten Stile, sondern eine auf Herz und Gemüt seiner Leser wirkende pragmatische Geschichte schreiben wollte, musste einem Appian, der Völkergeschichte schrieb, am passendsten erscheinen, und in der That weisen einzelne wenige Fragmente (Semp. As. f. 4, 5, 7, 11 cf. Peter F. R. H. p. 180—3) darauf hin, dass Appian diesem Schriftsteller, dessen Tod er wahrscheinlich auch sehr genau erzählt hat, (App. b. c. 1. 54)3) für die spätere römische Geschichte seine Nachrichten verdankt.

1),,Die gallische Katastrophe", Hermes XIII. 4 p. 543.

2) Niebuhr, Vorles. über röm. Gesch. p. 203.

die Geschichte des 2. Pun. Kr. Pyritz 1872.

3) Liv. ep. 74, Val. Max. 9. 7. 4.

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Buchholz, die Quellen des Appian und Dio Cassius für

L. Keller,,der zweite punische Krieg und seine Quellen. Marburg 1875, der als gemeinsame Quelle des Livius und Polybius gewiss mit Unrecht Piso annimmt, hält mit etwas mehr Wahrscheinlichkeit König Jubas Pauäxý loτogía für die Quelle Appians.

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