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5. DIE JUNGRÖMISCHE DICHTERSCHULE

97. Charakter der neuen Richtung. Zu gleicher Zeit, wo Lucrez in der Einsamkeit sein schwermütiges Gedicht über die Natur der Welt schrieb, betätigte sich eine ganz anders geartete Gesellschaft meist jugendlicher Hitzköpfe, unter denen ein starker Einschlag von Keltenblut sich bemerkbar machte, in voller Öffentlichkeit. Es war eine aufgeregte Zeit, wo alle Überlieferung in Staat, Moral und Weltanschauung ins Wanken kam, wo man in der Bekämpfung des Gegners zu Schwert und Knüttel griff, aber auch mit den feinern Waffen des Geistes zu streiten lernte. Ein Prozeß gegen politische Größen löste den andern ab, und die Redekunst feierte ihre höchsten, freilich auch letzten Triumphe. Aber daneben trat auch die Poesie in den Dienst der Parteien. Weniger die Satire, wo das Vorbild des Lucilius nur wenige Nachfolger fand und vielmehr eine Abbiegung in der Form erfuhr, als die Invective und das Schmähgedicht fanden jetzt in den verschiedenen Formen der Lyrik ihre Ausgestaltung. Pamphlete und Pasquille flogen in Jamben und Skazonten, im Elfsilbler und auch im distichischen Epigramm umher und schonten nicht groß und klein, nicht die Gewalthaber des Staates noch die Konkurrenten im Dienste Apolls. Vorbilder waren wenig die alten Klassiker, viel mehr in Form und Inhalt die Alexandriner, Callimachus, Euphorion, bis zu ihren letzten Ausläufern, die dann, wie Parthenius, vielleicht Philodem, sogar in direkte Berührung mit der neuen römischen Schule traten. Sie waren auch Lehrer bei der sonstigen poetischen Tätigkeit. Zu großen Epen hatte dieses Jungrom keine Lust. Das μέγα βιβλίον μέγα κακόν des Callimachus galt auch für sie, und Homer und Ennius waren für sie abgetan. An handlungsreicher Darstellung lag ihnen nichts. Wählte man einen epischen Stoff, so setzte man an Stelle der Tat das Gefühl. Aus dem großen Mythos sonderte man eine kleine Episode aus oder suchte von Anfang an eine einzelne Lokalsage, aber machte hier die Personen zu Trägern lebhaften Gefühls, von Liebe und Haß, Triumph und Verzweiflung. An Stelle des Epos trat so das Epyllion geringen Umfangs. Und da man so fremde Herzenserregung schaffend erlebte, so wurde man sich des eigenen Gefühls erst recht bewußt. Das subjektive Empfinden, in der Poesie lange in Rom durch Sitte und Moral niedergehalten, regte sich und das eigene Ich wagte hervorzutreten. So entsteht auch auf diesem Wege Lyrik. Diese jungen Leute sind durchweg verliebt, leidenschaftlich verliebt, und die Glut ihrer Empfindung ergießt sich in lauten Tönen, im Triumphgesang des glücklichen Besitzes, aber bei Kälte und Untreue der Geliebten auch in Schmerz, in Haß und Spott. Neben der Liebe steht weiter die Freundschaft. Das alte Kollegium der Dichter und Schauspieler wird abgelöst durch die Privatklubs der Poeten zu gegenseitigem Lieben und Loben. Man schreibt sich zierliche Billets im poetischen Kurzstil, man dichtet um die Wette, und der gemeinsame Gegner findet gemeinsame Abwehr. Elegie und Idyll, Spottund Scherzgedicht feiern ihre Auferstehung oder finden ihre Ausgestaltung. Es sind zum Teil Kinder des Augenblicks, leicht hingeworfene Produkte, Nichtigkeiten, nugae, wie sie sie selbst nennen; aber daneben gehen, wieder nach alexandrinischem Muster, in mühsamer Arbeit sorgsam gefeilte Werke. Über einem Epyllion sitzt man jahrelang und bringt tiefe, oft versteckte

Gelehrsamkeit, die geradezu das geistige Schaffen bestimmt, hinein. Man studiert eifrig die Vorbilder und läßt von griechischen Gelehrten sich beispringen. Bücherkisten begleiten auch den, der aufs Land geht, und man verschmäht nicht das Prädikat des doctus poeta. Man lernt auf Wortwahl und Wortfolge, auf Verschlingung der Satzglieder und Symmetrie der Teile achten. Man sucht seltene Versmaße und macht Anleihen bei Sappho, aber lieber noch bei fast unbekannten Alexandrinern, Asclepiades, Glycon, Phalaecus. Man legt sich strenge Gesetze in der Metrik auf, schreibt Trimeter an Stelle der lockern szenischen Senare, zwängt den daktylischen Vers in bestimmte Regeln durch Zäsuren und besondere Art der einzelnen Füße; man liebt den Spondeus im fünften Fuß des Hexameters und läßt den Vers nicht ungern in vielsilbige Worte ausklingen. Gegen Elision und Hiatus wird man strenger, und das Ausstoßen des s vor Konsonanten, noch so vielfach bei Lucrez, wird als bäuerisch gebrandmarkt.

Etwas steckt in der Richtung dieser modernen Schule, dieser veÓTɛoot, wie sie genannt werden, fast jeder gebildete Mann, nur Lucrez nicht, der, obwohl ihr Zeitgenosse, in seiner Dichtweise fast um ein halbes Jahrhundert älter erscheint. Viele von den schon Genannten aber, Sueius, Matius, Laevius mit ihren Idyllen, mit ihrer eigenartigen Themenwahl, mit ihrer Polymetrie gehören in diese Richtung, auch Varro und selbst Cicero mit einem Teil seiner poetischen Schöpfungen, der sich dann freilich von ihnen abwendet, an Ennius festhält und über die Poetae novi, die Cantores Euphorionis seinen Spott ausläßt, zumal sie ihm auch als Redner unsympathisch waren; denn auch hier schlugen jene eine andere Richtung ein als die, zu der er als der besten sich durchgerungen (§ 138).

Zeugnisse. a) Cie. Tuse. 3, 19, 45 (45/44 v. Chr.) o poetam egregium! (Ennius) quamquam ab his cantoribus Euphorionis contemnitur. Auch Or. 20, 68; 49, 164 sind, wie O. Jahn bemerkt, die poetae novi gestreift; vgl. auch Gandiglio, Cant. Euph. 60 (gegen Marchesi, daß mit cantores Euphorionis Corn. Gallus und Vergil bezeichnet seien); 69. ) Cic. or. 48, 161 (46 v. Chr.) quin etiam, quod iam subrusticum videtur, olim autem politius, eorum verborum, quorum eaedem erant postremae duae litterae, quae sunt in ‘optumus', postremam litteram detrahebant, nisi rocalis insequebatur. ita non erat ca offensio in versibus, quam nunc fugiunt poetae novi. ita enim loquebamur (Cic. Aratea 8,2; 23,3): ‘qui est omnibu' princeps', non, omnibus princeps' (Ennius ann. 67 V.), et: 'vita illa dignu' locoque', non, dignus' (Lucil. 150 Ma.). In seinen späteren Gedichten hat auch Cicero von dieser Freiheit keinen Gebrauch mehr gemacht; vgl. Gandiglio, Bollett. 11, 159. ad Attic. 7, 2, 1 (Nov. 50) Brundisium venimus VII. Kalend. Decembr. usi tua felicitate navigandi: ita belle nobis flavit ab Epiro lenissimus Onchesmites. hunc orordεiásovra, si cui roles tor rewrέowr, pro tuo vendito. Ueber die politische Stellung der Neoteriker s. § 100; über ihren Attizismus § 138.

Literatur. S. Piazza, Catullo, Cicerone ed i reótɛgo; epigrammi satirico-letterari di Catullo, Padua 1897; C. Marchesi, I cantores Euphorionis, Atene e Roma 4 (1901), 183; A. Gandiglio, Cantores Euphorionis; sulle relazioni tra Cicerone e i poeti della nuova scuola Romana, Bologna 1904; s. auch Bollett. 7 (1901), 205; 11 (1905), 159; C. Cessi, Note Vergiliane. II. Intorno ai Cantores Euphorionis, L' Ateneo Veneto, 25, vol. 2, 1902; C. Morawski, Catulliana et Ciceroniana, Krakau 1903; Crusius, Realenz. 5, 2289; E. Simzig, Quid Cicero de aetatis suae imitatoribus Alexandrinorum poetarum censuerit, CapodistriaTriest 1912; C. N. Jackson, The latin epyllion, Harv. Stud. 24 (1913), 37; J. J. Hartman, De cantoribus Euphorionis, Mnemos. 43 (1915), 245; C. Pascal, Poeti e personaggi Catulliani, Catania 1916; W. Stuart Messer, Ad Cic. Tusc. d. 3, 19, 45, Mnemos. 45 (1917), 78; G. L. Hendrickson, Hor. and Val. Cato, Class. Phil. 12 (1917), 329; T. Frank, Cic. and the poeti novi, Am. Journ. 40 (1919),396; Wilamowitz, Hellenist. Dichtung, 1, Berlin 1924, 229. Parthenius. Suidas s. v. Παρθένιος Ηρακλείδου καὶ Εὐδώρας (Ερμιππος δὲ Τήνας φησί), Νικαεὺς ἢ Μυρλεανός, ἐλεγειοποιὸς καὶ μέτρων διαφόρων ποιητής, οὗτος ἐλήφθη ὑπὸ Κίνα λάφυρον, ὅτε Μιθριδάτην Ῥωμαῖοι κατεπολέμησαν· εἶτα ἠφείθη διὰ τὴν παίδευσιν καὶ ἐβίω μεχρὶ Τιβερίου

τοῦ Καίσαρος. ἔγραψε δὲ ἐλεγείας, Αφροδίτην, Αρήτης ἐπικήδειον τῆς γαμετῆς, Ἀρήτης ἐγκώμιον ἐν γ' βιβλίοις, καὶ ἄλλα πολλά. Die Worte οὗτος — λάφυρον auf einen Feldherrn Cinna zu beziehen, ist schwer möglich, da wir im J. 73, wo Nicaea, die Heimat des Parthenius, in die Hände der Römer fiel, keinen Führer dieses Namens kennen. Man wird den Satz daher, da eine Vertauschung von Kirra mit Kótta (M. Aur. Cotta), die A. Hillscher, Fleckeis. J. Suppl. 18 (1892), 404 vorschlug, unwahrscheinlich ist, von einem Käufer Cinna verstehen. A. Meineke, Analecta Alexandrina, Berlin 1843, 255; A. Kießling, De C. Helvio Cinna poeta (Comm. phil. in hon. Th. Mommseni, Berlin 1877, 351); F. Susemihl, Gesch. der griech. Lit. in der Alexandrinerzeit 1 (Leipzig 1891), 191.

a) Valerius Cato und C. Licinius Macer Calvus

98. Valerius Cato. Die Heimat des Valerius Cato war Gallien, wohl das diesseitige. Daß er der Sohn eines Freigelassenen, eines gewissen Bursenus, sei, bestritt er in einer eigenen Schrift mit dem Titel „Protest" (Indignatio), in der er seine freie Geburt behauptete und die widrigen Lebensverhältnisse seiner Jugend schilderte, wo er als Waise in der sullanischen Zeit Hab und Gut verloren hatte. Auch im späteren Leben ging es dem gelehrten Dichter schlecht: er geriet in die äußerste Not und Armut, so daß er seine Villa in Tusculum, die er vielleicht zum Geschenk erhalten hatte, an seine Gläubiger abtreten mußte und in einem bescheidenen Häuschen dürftig dahinlebte; doch erreichte er ein hohes Alter. Cato war sowohl als Lehrer wie als Schriftsteller tätig. Als Lehrer hieß er die lateinische Sirene; sein Unterricht hatte besonders die Anleitung zur Dichtkunst zum Gegenstand durch Erklärung lateinischer Dichtwerke und durch poetische Übungen. Als Schriftsteller betätigte er sich sowohl in Poesie als in Prosa. Er schrieb grammatische Werke, von denen jedoch keine Spur erhalten ist. Auch dem Lucilius widmete er seine Kräfte; Vorlesungen über diesen Schriftsteller hatte er einst bei Philocomus gehört; später ging er selbst daran, durch Verbesserungen den Satiriker lesbar zu machen. Hochberühmt waren zwei dichterische Werke, eine Lydia und eine Diana oder Dictynna. In dem ersten Gedicht wird er wohl seine Geliebte besungen haben; es zeigte die große Belesenheit des Autors und übte daher nach dieser Seite hin große Anziehungskraft aus. In dem anderen Werk war eine kretische Sage verarbeitet, auf die bereits Kallimachus hingewiesen hatte: die Nymphe Britomartis wurde von Minos in heißer Sehnsucht verfolgt; um ihm zu entgehen, stürzte sie sich ins Meer, wurde aber von Fischernetzen aufgefangen; sie erhielt daher den Namen Dictynna; ihr wurden göttliche Ehren erwiesen, und sie wurde geradezu mit der Artemis identifiziert. Helvius Cinna hat den Wunsch ausgesprochen, daß die Dictynna Jahrhunderte überdauern möge; er sollte sich nicht erfüllen.

Biographisches. Suet. gramm. 11 P. (das Praenomen findet sich im Index p. 98 Re.; 1 Ro.) Valerius Cato, ut nonnulli tradiderunt, Burseni cuiusdam libertus ex Gallia; ipse libello, cui est titulus Indignatio, ingenuum se natum ait et pupillum relictum eoque facilius licentia Sullani temporis (82-79 v. Chr.) exutum patrimonio vixit ad extremam senectam, sed in summa pauperie et paene inopia abditus modice gurgustio, postquam Tusculana villa creditoribus cesserat, ut auctor est Bibaculus (s. § 101). In das Studium des Lucilius wurde Cato durch Vettius Philocomus eingeführt; vgl. Suet. gramm. 2 (s. S. 159). Vielleicht ist Catull 56 an ihn gerichtet. R. P. Robinson, Val. Cato, Transact. 54 (1923), 98. Valerius Cato als Lehrer und Dichter. Furius Bibaculus fr. 2 (s. § 101) bezeichnet ihn als unicum magistrum, summum grammaticum, optumum poetam ... en cor Zenodoti, en iecur Cratetis. Suet. gramm. 4 Valerium Catonem, poetam simul grammaticumque notissi11 docuit multos et nobiles visusque est peridoneus praeceptor, maxime ad poeticam

тит.

tendentibus, ut quidem apparere vel his versiculis potest: Cato grammaticus, Latina Siren, qui solus legit ac facit poetas. (Danach wird Cato durchweg als Haupt der neuen Richtung angesehen, was Robinson 103 freilich bestreitet. Amatucci, Storia 1, 164 erklärt die letzten Worte: che sa scegliere quelli che hanno attitudini a poetare e farne dei poeti.) is scripsit praeter grammaticos libellos etiam poemata, ex quibus praecipue probantur Lydia et Diana. Lydiae Ticida meminit: Lydia doctorum maxima cura liber; Dianae Cinna: saecula per maneat nostri Dictynna Catonis. Die Lydia war wohl erotischen Inhalts; sie wird Ovid. tr. 2, 436 meinen mit leve Cornifici parque Catonis opus. Auf die beiden Gedichte bezieht F. Leo, Herm. 38 (1903), 305 mit Statius das letzte Distichon von Catull. c. 95, indem er den lückenhaften Hexameter durch Catonis ergänzt: parva mei mihi sint cordi monumenta Catonis. Eine Verwendung der Dictynna in der Ciris vermutet S. Sudhaus, Hermes 42 (1907), 485 Anm. 3. Die Indignatio werden wir wohl als eine Prosaschrift zu betrachten haben, da nach ihrem Muster die Indignatio Messallas geschrieben ist, in der dieser gegen den Versuch, die Ahnenbilder der Laeviner seinem Geschlechte einzureihen, protestierte (§ 215). Einen neuen Vers Catos glaubt O. Roßbach, PhW. 1923, 624 gefunden zu haben, ein anderes Fragment (Quint. 6, 3, 105) Hendrickson, Class. Phil. 12, 88.

Die Ausgabe des Lucilius. Ueber die Ausgabe des Lucilius, die Cato besorgte, vgl. [Hor.] sat. 1, 10, 1: Lucili, quam sis mendosus, teste Catone defensore tuo pervincam, qui male factos emendare parat versus. Vgl. C. Nipperdey, Opusc., Berlin 1877, 490; F. Marx, Rh. Mus. 41 (1886), 553; A. Gandiglio, Bollett. 11 (1905), 160; G. L. Hendrickson, Hor. and Val. Cato, Class. Phil. 11 (1916), 249; 12 (1917), 77; 329.

99. Die Dirae und die Lydia.. Unter dem Namen Vergils ist ein Gedicht mit dem Titel „Dirae“ überliefert. Doch passen weder der Stil noch die Lebensverhältnisse auf ihn. Da nun der Autor in dem Gedichte den Verlust seines Gutes und eine von ihm geliebte Lydia erwähnte, da aber auch, wie wir sahen, Valerius Cato sein Gut verloren und eine Lydia geschrieben, schloß Scaliger, daß er der Verfasser dieses von Sueton nicht erwähnten Gedichtes sei. Später (1792) erkannte ein deutscher Gelehrter, daß in den Dirae zwei Gedichte zusammengeflossen seien, von denen das erste den. Namen „Dirae" richtig führe, das zweite dagegen den Titel „Lydia“ erhalten müsse. In der Tat sind ganz verschiedene Situationen in den beiden Gedichten ausgeprägt. In den Dirae schleudert der Dichter auf das Gut, aus dem er durch einen Veteranen vertrieben wurde und auf dem er seine Geliebte Lydia zurücklassen mußte, allen Fluch: Mißwachs, Pestilenzhauch, Verheerung durch Feuer und Überschwemmung. Zuletzt aber wird der Dichter weich, er ruft ein Lebewohl dem Gute und seiner Lydia zu. Merkwürdig ist die Komposition: der Dichter wiederholt nur die Verwünschungen, die er einst gegen sein Gut ausgesprochen hatte; begleitet wird er hierbei auf der Rohrflöte von Battarus; durch Schaltverse sind die Verwünschungen gegliedert. In der Lydia dagegen beneidet der Dichter die ländliche Stätte, auf die sich die Geliebte begeben, und beklagt das traurige Los der Vereinsamung, das ihm im Gegensatz zu Tieren und Göttern zuteil geworden. Man erkennt aus dieser Inhaltsangabe, daß beide Gedichte unvereinbar sind. Im ersten Gedicht ist die Lydia zurückgeblieben und der Dichter in der Ferne, im zweiten ist der Dichter zurückgeblieben und die Lydia fort aufs Land gegangen; zuerst ist eine Gegend dem Dichter Gegenstand der Verwünschung, dann der heißesten Sehnsucht. Der vielfach angenommenen Zuweisung an Valerius Cato stellen sich doch manche Bedenken entgegen, mag man auch in einem derartigen nach einer bestimmten Gattungsform der doaí verfaßten Gedicht nicht alle Angaben als authentisch anzusehen haben.

Zur Geschichte der Frage. Das in den Hss. unter dem Titel Dirae stehende eine

Gedicht wurde von Scaliger (1573) dem Val. Cato beigelegt. F. Jacobs, Verm. Schr. 5 (Leipzig 1834), 639 hat 1792 es in zwei Gedichte zerlegt, von denen das erste mit V. 103 ende, das zweite die Lydia des Val. Cato sei. Die Urheberschaft des Cato wurde auch von den Herausgebern C. Putsche und A. F. Naeke festgehalten, später auch von Ribbeck, Dichtung 310 mit neuer Begründung, G. Eskuche, De Valerio Catone deque Diris et Lydia carminibus, Marburg 1889 (s. a. Rh. Mus. 45 (1890), 236), R. Ellis, Am. Journ. 11 (1890), 236, W. M. Lindsay, Class. Rev. 32 (1918), 62 (s. a. Am. Journ. 42 (1921), 339; 44 (1923). 53), Schanz angenommen. Dagegen traten auf, vor allem mit dem Grunde, daß der V. 82 auf die Proskriptionen der Triumvirn gehe, während Cato sein Gut durch Sulla verloren habe, R. Merkel, Proleg. zu Ov. Ibis, Berlin 1837, 364; K. F. Hermann, Ges. Abh., Göttingen 1849, 112; R. Sciava 9; M. Rothstein, Herm. 23 (1888), 508; WklPh. 1892, 1088; 1118, der für zwei Verfasser eintritt, und bes. lebhaft R. Reitzenstein, Drei Vermutungen (s. S. 274) 32. Eine vermittelnde Stellung nimmt A. Rostagni, La composizione delle Dirae pseudovergiliane, Atti di Torino 51 (1916), 1044 ein, der nicht Cato als Verf. erklärt, sondern die Verse nach Catos Vorbild auf die spätern Proskriptionen übertragen sein läßt. Die Beziehungen zu Vergil (s. bes. Curcio Praef. 32) wurden ebenfalls untersucht, die Priorität der Dirae von P. Jahn, Die Art der Abhängigkeit Vergils von Theokrit und andern Dichtern. Berlin 1899; Eskuche, Diss. 63; Neue phil. Rundschau 1894, 333; P. J. Enk, Mnemos. 47 (1919), 382 (Verf. ist vielleicht Varius) behauptet, von Rothstein, Reitzenstein abgelehnt, während andere, wie schon L. Lersch, Zeitschr. für die Altertumsw. 1837, 1050 und in neuerer Zeit J. Dobiaš, Listy filol 39 (1912), 178; F. Ribezzo, Due nuovi indizi della paternità Virgiliana delle Dirae, Riv. indo-greco-it. 3 (1919), 231 (dagegen R. Sciava ebd. 4 (1920), 76) wieder Vergil als den Verfasser ansehen, was Fr. Vollmer, Die kleinern Gedichte Vergils, Münch. Sitzb. 1907, 356 auf die Dirae beschränkt. Siehe a. Q. di Vono, Tradizione storico-letteraria dell' Appendix Virgiliana e paternità Virgiliana delle Dirae, Salerno 1925.

Ausg. P. Burmann, Anthol. 2 p. 649; J. Ch. Wernsdorf, Poet. lat. min. 3, 1; C. Putsche, Jena 1828; Carmina Valerii Catonis mit Komm. von A. F. Naeke, Bonn 1847; rec. notisque instr. F. C. Goebbel, Warendorf 1865; vgl. auch seine Diss. De ephymniorum apud Graecos et Romanos rationibus, Göttingen 1858, 48 (stroph. Gliederung); M. Haupt, Ausg. des Vergil, Leipzig 1873, 576; O. Ribbeck, Appendix Vergiliana', Leipzig 1895, 89; E. Baehrens, PLM 2, 73; R. Sciava, Le imprecazioni e la Lidia, poemetti d'ignoto autore latino con traduzione e commento, Pesaro 1898, der auch erwähnt Due idillii attribuiti al grammatico V. Catone, volgarizzati con emendamenti e note da P. Canal, Turin (s. a.; nicht im Buchhandel); Eskuche (mit Uebersetzung); R. Ellis, Appendix Vergiliana, Oxford 1907; G. Curcio, Poeti lat. minori 2 (Catania 1908), 2, 1; Fr. Vollmer, PLM 1, 67; A. Monti, I poemetti Dirae e Lydia. Testo con versione in prosa e app. crit., Turin 1921. Beiträge zur Kritik von R. Ellis, Am. Journ. 8 (1887), 408; 10 (1889). 208; 20 (1899), 139; W. Kroll, Rh. Mus. 60 (1905), 552; E. H. Alton, Hermath. 43 (1922), 308. Ueber Beziehungen zu Catull s. L. L. Sell, De Catulli carmine 64 quaest. diversae, New York 1918, 78; s. a. Curcio 31. 100. C. Licinius Calvus' Dichtungen. Mit Catull führen die Alten sehr oft C. Licinius Calvus an, den Sohn des Annalisten C. Licinius Macer (§ 112, 3). In der Tat waren beide Dichter ein treues Freundespaar, in gleichgesinntem Streben sich zugetan in Liebe und Bewunderung, voll Haß erfüllt gegen die Gewaltigen des Staates, einen Caesar und Pompeius wie gegen ihre Günstlinge, gleich auch in ihrer poetischen Tätigkeit. Wie Catull sein Epyllion in der Hochzeit des Peleus und der Thetis verfaßte, so Calvus in seiner Io. Wie Catull den Schmerz um seinen Bruder in warmen Tönen ausströmen ließ, so besang Calvus seine verstorbene Quintilia in einem Epicedion mit solcher Liebe, daß der Freund sagen konnte, Quintilia müsse mehr Freude. über diese Liebe empfinden als Schmerz über ihren frühen Hingang. Ein Epithalamium des Calvus steht den Hochzeitsliedern Catulls zur Seite, wie seinen Freundes- und Spottliedern jenes Invektiven. Nur darin ragte Calvus über Catull hinaus, daß er auch als Redner sich betätigte, auch da ein Talent und ein Neuerer. Wie Catull endlich wurde er in der Blüte seiner Jahre hinweggerafft; geboren im Jahre 82 zählte er 47 nicht mehr zu den Lebenden.

H. d. A. VIII, 1, 1. 4. A. 19

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