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diejenige Komödie, die sich am meisten mit Vers spottung der Laster beschäftiget, nichts destoweniger die Gemüther der Zuhörer durch ernsthaftere Rührungen vergnügen soll. Zwar ist allerdings eine grosse Behutsamkeit anzuwenden, daß dieses zur rechten Zeit, und am gehörigen Orte und im rechten Maasse geschehe; ja der komische Dichter, wenn er unser Herz entflammen will, muß glauben, daß jene Warnung, nihil citius inarcefcere quam lacrumas, welche man dem Redner zu geben pflegt, ihm noch weit mehr als dem Redner angehe. Vornehmlich hat er dahin zu sehen, daß er nicht auf eine oder die andere luftige Scene, fogleich eine ernsthafte folgen las fe, wodurch das Gemüth, welches sich durch das Lachen geruhig erhohlt hatte, und nun auf einmal durch die volle Empfindung der Menschlichkeit dahin geriffen wird, eben den verdrüß lichen Schmerz empfindet, welchen das Auge fühlt, wenn es aus einem finstern Orte plößlich gegen ein helles Licht gebracht wird. Noch viel weniger muß einer gefeßten Person alsdann, wenn sie die Gemüther der Zuschauer in Bewe gung feht, eine allzulächerliche beygesellet werden; überhaupt aber muß man nichts von diefer Gattung anbringen, wenn man nicht die Gemüther genugsam dazu vorbereitet hat, und muß auch bey eben denselben Affecten sich nicht allzulange aufhalten. Wenn man also die ruh renden Scenen auf den bequemen Ort versparet,

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welchen man alsdann, wann sich die Fabel am meisten verwirret, noch öftrer aber, wenn sie sich aufwickelt, findet: so kann das Lustspiel nicht nur seiner satyrischen Pflicht genug thun, sondern kann auch noch dabey daben das Gemuch in Bewegung sehen. Freylich trägt hierzu der Stoff und die ganze Einrichtung des Stückes viel bey. Denn wenn dasjenige, was der Dichter, glückliches oder unglückliches, wider alle Hoffnung sich ereignen läßt, und zu den Gemüthsbewegungen die Gelegenheit geben muß, aus den Sitten der Personen so natürlich fließt, daß es sich fast nicht anders håtte zutragen kön nen: so überläßt sich alsdann der Zuschauer, des sen sich Verwundrung und Wahrscheinlichkeit bemächtiget haben, er mag nun der Person wohl wollen oder nicht, willig und gern den Bewegungen, und wird bald mit Vergnügen zür nen, bald trauren, und bald über die Zufälle, derjenigen Personen, deren er sich am meisten annimmt, für Freuden weinen. Auf diese Art, welches mir ohne Ruhmredigkeit anzuführen erlaubt f yn wird, pflegen die Zuschauer in dem leßten Auftritte des Looses in der Lotterie gerührt zu werden. Damons Ehegattín, und die Jungfer Caroline haben durch ihre Sitten die Gunst der Zuschauer erlangt. Jene hatte schon daran verzweifelt, daß sie das looß wiederbekommen, würde, welches für sie zehn tausend Thaler gewonnen hatte, und war auf eine and

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ständige Art deswegen betrübt. Che sie sichs aber vermuthet, kömmt Caroline, und bringt ihrer Schwägerin mit dem willigsten Herzen dasjenige wieder, was sie für verlohren gehalten hatte. Hieraus nun entstehet zwischen beyden der edelste Streit freundschaftlicher Gesinnungen, so wie bald darauf zwischen Carolinen und ihrem Liebhaber ein Liebesstreit; und da sowohl dieser als jener schon für sich selbst, als ein angenehmes Schauspiel, sehr lebhaft zu rühren vermögend, zugleich auch nicht weit hergehohlet, sondern in der Natur der Sache, gegründet, und freywillig aus den Charakteren selbst geflos fen sind: so streitet ein solcher Ausgang nicht allein nicht mit der Komödie, sondern ist ihr vielmehr, wenn auch das übrige gehörig beobachtet worden, vortheilhaft. Mir wenigstens scheint eine. Komödie, welche, wenn sie den Wig der Zuhörer genugsam beschäftiget hat, endlich mit einer angenehmen Rührung des Gemüths schliefset, nicht tadelhafter, als ein Gastgeboth, welches, nachdem man leichtern Wein zur Gnüge dabey genossen, die Gäste zum Schlusse durch ein Glas stärkern Weins erhißen und so auseinander gehen läßt.

Es ist aber noch eine andre Gattung, an welcher mehr auszusehen zu seyn scheinet, weil Scherz und Spott weniger darinne herrschen, als die Gemithsbewegungen, und weil ihre vornehm sten Personen entweder nicht gemein und tadel

haft,

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haft, sondern von vornehmen Stande, von zierlichen Sitten und von einer artigen Lebensart find, oder, wenn sie ja einige Laster haben, ihnen doch nicht solche ankleben, dergleichen bey dem Pöbel gemeiniglich zu finden sind. Von dieser Gattung sind ungefehr die verliebten Philosphen des Destouches, die Melas nide des la Chaussee, das Mündel des Fas gan, und der Sidney des Grefsets. Weil nun aber diejenige Person, auf die es in dem Stücke größten Theils ankömmt, entweder von guter Art ist, oder doch keinen allzulächerlichen Fehler an sich hat, so kann daher ganz wohl gefragt werden, worinne denn ein solches Schauspiel mit dem Wesen der Komödie übereinkomme? Denn obschon meiSten Theils auch lustige und auf gewisse Art låcherliche Charaktere darinne vorkommen, so erhält doch genugsam aus der Ueberlegenheit der andern, daß sie nur der Veränderung wegen mit eingemischt sind und das Hauptwerk ganz und gar nicht vorstellen sollen. Nun gebe ich sehr gerne zu, daß dergleichen Schauspiele in den Grenzen, welche man der Komödie zu sehen pflegt, nicht mit begriffen sind; allein es fragt sich, ob man nicht diese Grenzen um so viel erweitern müsse, daß sie auch jene Gattung dramatischer Gedichte mit in sich schliessen können. * Wenn

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Wenn der Endzweck der Komödie überhaupt eine anständige Gemüthsergößung ist, und diese

Wenn dieses nun der Endzweck der Komödie verstattet, so sehe ich nicht, warum es nicht ers laubt seyn sollte? Das Unsehen unsrer Vorgänger wird es doch nicht verwehren? Es wird doch kein Verbrechen seyn, dasjenige zu versuchen, was sie unversucht gelassen haben, oder aus eben der Urfache von ihnen abzugehen, aus welcher wir ih nen in andern Stücken zu folgen pflegen? Hat nicht schon Horatius gesagt:

Nec minimum meruere decus, veftigia

græca

Aufi deferere.

Wenn

burch eine geschickte Nachahmung des gemeinen Lebens verschaft wird: so werden sich die vers schiednen Formen der Komödie gar leicht erfins den und bestimmen lassen. Denn da es eine doppelte Art von menschlichen Handlungen giebt, indem einige Lachen, und andre ernsthaftere Ge müthsbewegungen erwecken: so muß es auch eine doppelte Art von Komödie geben, welche die Nachahmerin des gemeinen Lebens ist. Die eine muß zu Erregung des Lachens, und die andre zu Erregung ernsthaftrer Gemüthsbewegungen geschickt seyn. Und da es endlich auch Handluns gen giebt, die in Betrachtung ihrer verschiednen Theile, und in Ansehung der verschiednen Pers fonen von welchen sie ausgeübt werden, beydes hervorzubringen fähig si .d: so muß es auch eine vermischte Gattung von Komödien geben, von wel cher der Cyclops des Euripides, und der Ruhms redige des Destouches sind. Dieses hat der jüngst in Dennemark verstorbene Hr. Prof. Schlegel, ein Freund dessen Verlust ich nie genug betauren dessen

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