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tikern ein anerkennendes Urteil über seine oratorische Meisterschaft in den Mund legt 11) und aufserdem mehrmals deutlich genug zu verstehen giebt 12), dafs in ihm die höchste Stufe erreicht sei. Aus demselben Grunde, nämlich um unsere Augen doch auch über Hortensius hinaus auf die nächste Zeit nach dessen Tod zu richten, weicht denn auch Cicero von dem ausdrücklich ausgesprochenen 13) und auch im allgemeinen festgehaltenen 14) Grundsatz, die zur Abfassungszeit der Schrift noch lebenden Redner von der Betrachtung auszuschliefsen, einmal absichtlich ab und zieht auch ein paar bedeutende Redner der Gegenwart, besonders Marcellus und Caesar, in den Kreis der Darstellung mit hinein 15).

Überhaupt tritt das Bestreben, die römischen Redner § 5. in gröfstmöglicher Vollständigkeit aufzuführen 16) und keinen durch die Tradition oder sonst überlieferten Namen zu vergessen, überall unverkennbar hervor. Zu dem Ende geht Cicero nicht allein auf die ältesten, fernsten Zeiten der römischen Republik zurück, sondern räumt auch bereitwilligst vielen einen Platz in seinem Werke ein, denen bei ihrer so geringen oratorischen Bedeutung streng genommen eine Stelle in einer Geschichte der römischen Beredsamkeit schwerlich gebührte. Aber dabei versäumt es Cicero doch auch anderseits nicht, sich deshalb gleichsam zu entschuldigen und wiederholt die Gründe anzugeben 17), die ihn zu einer solchen Aufnahme aller möglichen Rednernamen bestimmten; ja er legt sogar einem der Mitunterredner hin und wieder scharf kritisierende Bemerkungen über diese allzugrofse Weitherzigkeit in den Mund 18), um eben dadurch das Bewusstsein von dem grofsen Wertunterschied der

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de eis qui nunc sint nihil velis ipse
dicere.

15) Brut. 118 wird Cato Uticensis
beiläufig erwähnt; 150-157 Ser-
vius Sulpicius, 218 ff. M. Claudius
Marcellus, 251 ff. C. Iulius Caesar
ausführlicher charakterisiert.

16) Brut. 181 de eis autem quos
ipsi vidimus, neminem fere praeter-
mittimus eorum, quos aliquando
dicentes audivimus.

17) Brut. 137; 182 volo enim
sciri, in tanta et tam vetere repub-
lica maximis praemiis eloquentiae
propositis omnes cupisse dicere,
non plurimos ausos esse, potuisse
paucos. 244 volo autem hoc per-
spici, omnibus conquisitis, qui in
multitudine dicere ausi sint, me-
moria quidem dignos perpaucos,
verum qui omnino nomen habuerint
non ita multos fuisse. 270, 299.
18) Brut. 176, 244, 269, 297.

§ 6.

§ 7.

einzelnen in der Masse der rednerischen Persönlichkeiten in uns stets lebendig zu erhalten. Dazu kommt noch, dafs Cicero zugleich aus der grofsen Zahl der von ihm namhaft gemachten Redner doch überall und zuletzt noch zu bleibendem Gedächtnis am Schlufs seines Werkes 19) die wirklich bedeutenden und in der Geschichte hervorragenden Männer so sehr hervorhebt 20), dafs unsere Augen über die Thäler und Ebenen hinweg auf diese hell erleuchteten Bergesgipfel gerichtet bleiben und wir vor der Menge der Redner niederen Ranges die gröfseren Geister nicht aus dem Gesicht verlieren. Nicht nur, dafs er scharf die vorgeschichtliche Zeit von der geschichtlichen unterscheidet 21): in dieser selbst wieder läfst Cicero die eigentlichen Höhepunkte so deutlich hervortreten, dafs wir uns auf der Wanderung durch den Rednerwald immer leicht zurechtfinden können.

Im grofsen und ganzen sind es in dieser Beziehung offenbar zwei Hauptstufen oder so zu sagen zwei Blüteperioden, die die römische Beredsamkeit in ihrer Entwickelung von den ersten geschichtlichen Anfängen bis auf Cicero erreicht: die Träger der ersten Blüteperiode sind die Redner Crassus und Antonius, der Träger der anderen ist Cicero selbst. Bis die Beredsamkeit die erste Höhe etwa im J. 100 v. Ch. erreicht, hat sie einen langen, mehr als hundertjährigen Zeitraum zu durchmessen, in dem sich wieder mehrere aetates in organischem Fortschritt aneinanderreihen: Cato censorius obenan; dann vornehmlich Galba mit Laelius und Scipio; weiterhin Lepidus, die Gracchen und Carbo; endlich Catulus, der den letzten Übergang zu dem ersten Höhepunkt, zu Antonius und zu Crassus, dem eigentlichen Schöpfer einer kunstmässigen oratorischen Prosa 22), bildet. Der Weg von da bis zu dem zweiten Höhepunkt ist fast um die Hälfte kürzer: es sind die beiden aetates erst des Sulpicius und Cotta, dann des Hortensius, in denen sich die Redekunst allmählich zu der zweiten Höhe erhebt, auf welcher in Cicero zu den Errungenschaften der ersten Blütezeit, besonders des grofsen Redners Crassus, das Studium der griechischen Litteratur tritt und so die Universalität des Wissens erreicht wird, die dem wahren Redner unerlässlich ist 23).

Am wichtigsten ist in dieser Hinsicht für den Redner be

19) Brut. 333.

20) Brut. 182. Ego tamen ita de unoquoque dicam, ut intellegi possit, quem existimem clamatorem, quem oratorem fuisse.

21) Brut. 61 s. die Inhaltsübersicht. 22) de orat. II 121 qui hoc primum in nostros mores induxit, qui maxime auxit, qui solus effecit.

23) Brut. 161 Quod idcirco posui (nämlich das J. 106 als das Jahr der suasio legis Serviliae des Crassus und zugleich das Geburtsjahr Ciceros), ut dicendi Latine prima maturitas in qua aetate exstitisset posset notari, et intellegeretur iam ad summum paene esse perductam, ut eo nihil ferme quisquam addere

greiflicherweise das Studium der grofsen griechischen Redner und Lehrer der Beredsamkeit, eines Lysias und Hyperides, Aeschines und Lycurgus und vor allen des unerreichten Musters und Vorbilds, des Demosthenes, wie des Isokrates und Aristoteles 24). Diese hohe Bedeutung des Studiums der klassischen griechischen Redner und Rhetoren ist denn auch sicher ein Grund mit, dafs Cicero seiner geschichtlichen Darstellung der römischen Redner sehr passend, als eine Art Einleitung, eine kurze Übersicht der Geschichte der griechischen Beredsamkeit nach ihrer praktischen und theoretischen Seite vorangehen läfst 25). Denn wenn auch diese litterarhistorische Übersicht der griechischen Beredsamkeit und Rhetorik zunächst nur den Zweck zu erfüllen hat, das chronologische Verhältnis der oratorischen Litteraturen beider Völker zu einander zu veranschaulichen 26), so leistet sie doch unstreitig zugleich auch den Dienst, auf die grofsen griechischen Redner immer wieder aufmerksam zu machen und die fleifsige Beschäftigung mit ihren Meisterwerken, deren entscheidenden Einflufs Cicero an sich selbst so reichlich erfahren hatte 27), von neuem einzuschärfen.

Darum soll aber keineswegs die oratorische Litteratur der § 8. römischen Nation vor der griechischen geringgeschätzt und vernachlässigt werden; im Gegenteil, Cicero beabsichtigt gerade mit seiner Schrift, den grofsen, aber meist ganz übersehenen 28) Reichtum der römischen Nation allitteratur auf dem Gebiete der Redekunst aufzuweisen und insbesondere auch der unberechtigten Geringschätzung der älteren römischen Redner von Cato, Galba, Lepidus, Scipio, Laelius, Carbo und den Gracchen bis auf Crassus und Antonius herab nach Kräften zu wehren 29). Einer Überschätzung dieser

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29) Daher tadelt er die einseitige Beachtung der Griechen und empfiehlt die Lektüre Catos. 64 (Lysias) habet tamen suos laudatores. Catonem vero quis nostrorum oratorum, qui quidem nunc sunt, legit, aut quis novit omnino? at quem oratorem! Licet ex his eligant ea quae notatione et laude digna sint: omnes oratoriae virtutes in eis reperientur, und weiter: sed ea in nostris inscitia est, quod hi ipsi, qui in Graecis antiquitate delectantur eaque subtilitate, quam Atticam appellant, hanc in Catone ne noverunt quidem. Ebenso nützlich ist die Lektüre der Reden des C. Gracchus 125, und der Reden und der Selbstbiographie des Scaurus: tres libri scripti

älteren Werke der römischen Beredsamkeit soll jedoch damit durchaus nicht das Wort geredet, sondern nur eine gerechte Würdigung der genannten römischen Redner befördert werden 30): ihr Wert ist doch immer nur ein relativer, nach der Zeit, in die sie fallen, zu beurteilen, und wenn auch bis auf Cicero manches Grofse von den Römern in der Redekunst geleistet ist: die Griechen stehen doch höher; einigermafsen ebenbürtig wenigstens wird die römische Beredsamkeit der griechischen erst durch den, der die Vorzüge der Griechen mit dem römischen Nationalgut glücklich zu vereinigen wufste 31).

So sehen wir, dafs Cicero neben dem historischen zugleich einen pädagogischen Zweck verfolgt: hier im Brutus in ähnlicher Weise, wie früher in den Büchern de oratore 32), seinen Zeitgenossen vor allem das Studium der lebendigen Quellen der griechischen und römischen Beredsamkeit ans Herz zu legen 33). Ebenso beabsichtigt er weiter, nicht blofs das litterarische Interesse zu befriedigen, sondern, abgesehen von einigen gelegentlichen Belehrungen im einzelnen 34), namentlich auch durch die Kritik der verschiedenen Redner mittelbar die Erkenntnis der Forderungen zu erneuen und zu befestigen, die an den wahren Redner zu stellen sind 35). Dadurch nämlich, dafs die für die oratorische Tüchtigkeit mafsgebenden ästhetischen Grundsätze, wie sie in den Büchern de oratore aufgestellt werden, bei der Charakteristik der einzelnen Redner in Anwendung kommen, wird natürlich indirekt das Bewusstsein von dem Ziel und Wesen

de vita ipsius, lectu sane utiles, quos nemo legit: at Cyri vitam et disciplinam legunt, praeclaram illam quidem, sed neque tam nostris rebus aptam, nec tamen Scauri laudibus anteponendam 112, 132 f. Vgl. Or. 23.

30) Darum die Gegenrede des Atticus 292-297. Auch kennt Cicero die Mängel der älteren Redner natürlich recht wohl (69 Nec vero ignoro nondum esse satis politum hunc oratorem (d. h. Cato) et quaerendum esse aliquid perfectius 298) und bekämpft die einseitigen Verehrer des Alten, blofs weil es alt ist, ebenso wie die Verächter der altrömischen Litteratur überhaupt. Tac. dial. de or. 22 Ad Ciceronem venio, cui eadem pugna cum aequalibus suis fuit, quae mihi vobiscum est; illi enim antiquos mirabantur, ipse suorum temporum eloquentiam anteponebat; nec ulla

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der oratorischen Thätigkeit fortwährend wach erhalten und das Verständnis der oratorischen Normen gefördert.

Dadurch aber, dafs Cicero zugleich diesen pädagogischen § 9. Zweck im Auge hat, wird der allgemeine Charakter einer historischen Darstellung nicht im mindesten getrübt: der geschichtlich-chronologische Gang ist im grofsen und ganzen, wie im einzelnen möglichst eingehalten. In dieser Hinsicht bot ihm das Geschichtswerk seines Freundes Atticus, der liber annalis 36), eine tüchtige Vorarbeit und sichere Grundlage. Atticus hatte darin eine Übersicht der 700 Jahre römischer Geschichte von der Erbauung der Stadt bis auf seine Zeit gegeben und auf Grund sorgfältiger chronologischer Forschungen 37) jedem Jahr der Stadt die zugehörigen wichtigsten Ereignisse, Magistrate, Gesetze, Kriege und Friedensschlüsse, zugewiesen 38). Wie Atticus zur Abfassung dieses Werkes hauptsächlich durch Ciceros Schrift de republica veranlafst war 39), so regte wiederum der liber annalis in Cicero das Interesse für solche chronologische Untersuchungen überhaupt 40) und auf dem Gebiet der römischen Litteratur insbesondere an. Ihm, diesem zuverlässigen Gewährsmann 41), folgt denn auch Cicero im Brutus nicht blofs da, wo die Zeitbestimmungen der Annalisten ein

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37) Brut. 14 quo (sc. libro) omnem rerum memoriam breviter et, ut mihi quidem visum est, perdiligenter complexus est; 72 et Atticus scribit et nos in antiquis commentariis invenimus ein Beweis für die

Treue der Forschung.

38) Corn. Nep. vit. Att. 18 Moris etiam maiorum summus imitator fuit antiquitatisque amator, quam adeo diligenter habuit cognitam, ut eam totam in eo volumine exposuerit, quo magistratus ornavit. Nulla enim lex neque pax neque bellum neque res illustris est populi Romani, quae non in eo suo tempore sit notata, et quod difficillimum fuit, sic familiarum originem subtexuit, ut ex eo clarorum virorum propagines possimus cognoscere. Or. 120 (orator) cognoscat etiam rerum gestarum et memoriae veteris ordinem, maxime scilicet

nostrae civitatis, sed etiam imperiosorum populorum et regum illustrium; quem laborem nobis Attici nostri levavit labor, qui conservatis notatisque temporibus, nihil cum illustre praetermitteret, annorum septingentorum memoriam uno libro colligavit. Auf die wichtigsten aufserrömischen Ereignisse war wohl nur in synchronistischer Weise Rücksicht genommen.

39) Brut. 19 eisque (sc. de republica libris) sagt Atticus, nosmet ipsi ad rerum nostrarum memoriam comprehendendam impulsi atque incensi sumus. Daher widmete er auch seine Schrift seinem Freunde Cicero. Brut. 13 An mihi potuit (sagt Cicero) esse aut gratior ulla salutatio aut ad hoc tempus aptior quam illius libri, quo me hic affatus quasi iacentem excitavit?

40) Brut. 74 qui (sc. Atticus) me inflammavit studio illustrium hominum (wie des Livius Andronicus) aetates et tempora persequendi.

41) Brut. 44 ego cautius posthac historiam attingam te audiente, quem rerum Romanarum auctorem laudare possum religiosissimum.

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