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gewissen, mittelbaren und mehr nüßlichen als nothwendigen Verbindung steht. Nur uneigentlich kann man dies Glauben nennen, da es kein Vertrauen auf die Persönlichkeit Christi ist. Alle Veränderung des Menschen ist nur Besserung, da das Innerste der Menschennatur auch jetzt noch eigentlich gut ist, und so auch das Ganze von diesem Innern aus, deshalb braucht der Mensch nur noch besser zu werden, als er schon ist, nicht etwa von einem bestimmten Zeitpunkte erst gut, denn er ist es schon. Auch der Ausdruck Veredlung druckt die Sache aus. Diese Veredlung in ihrer Beziehung auf die durch irgend eine Uebereilung oder Verwickelung recht fühlbar gewordene sündige Schwäche verlangt zuerst Reue, d. h. die Empfindung, gegen die Geseße der menschlichen Natur in ihrer Reinheit und Ganzheit gehandelt zu haben, ein Schmerz über mißbrauchte und verschwendete Kraft, über gestörte Naturharmonie, über gehemmte gesellschaftliche und intellektuelle Entwickelung. Es ist dies eben so sehr und noch mehr ein Schmerz über ein Unrecht, das der Mensch gegen sich selbst beging, als eine Verletzung eines Rechtes Gottes. Denn dieses besteht doch lediglich in dem Willen, den Naturzusammenhang der Seele und des Leibes und der Glieder des menschlichen Geschlechts untereinander aufrechtzuhalten, nur also mittelbar, und weil Gott der Grund uns seres natürlichen Lebens ist, ist die Sünde Unrecht gegen Gott. Die Reue entsteht nothwendig aus einem geweckteren Naturgefühl und einem geschärfteren Verstande für die nachtheiligen Folgen unserer Vergehungen. Der Mangel der Reue ist blos Unbildung des Gefühls und des Verstandes. Dieser Schmerz der Reue darf aber nur wie ein Naturereigniß betrachtet werden, das baldmöglichst in eine schärfere Hinrichtung des Verstandes auf das nun zu Thuende, auf die äußere Gutmachung der Sache und in eine größere Kraft des Willens, hinfort dieselben Fehler zu meiden, umschla gen muß. Diese Kraft des Willens darf nicht von Gott erwartet werden, sondern sie ist immer da, sie muß nur

vermittelst der Scheu vor der Wiederholung solchen Verdrusses, und der Lust, mit sich selbst vollkommen zu harmoniren, geweckt werden. Größeres Vertrauen auf die eigene Kraft ist die einzig wahre Tendenz der Reue, und jedes Erwågen der Größe unserer Schuld, jedes Unterhalten des Gefühls eigner Schwachheit oder jedes Ausschauen nach göttlicher Hülfe ist Thorheit. Das Ziel der sich auf diese Weise erneuernden, doch auch stets mehr sich selbst vermindernden Reue ist ein naturgemåßes Leben, eine Veredlung unserer natürlichen Triebe, eine solche Gestaltung unseres Lebens, daß die gesunde Natur Aller sich dabei am besten entwickeln kann.

Das dem Naturalismus noch anhängende Wahre in diesem Gedankenzusammenhange liegt darin, daß er eine allgemeine Sfäre des Lebens und der Kraft annimmt, in die der Mensch sich verseßen müsse, um von der Sünde frei zu werden. Sein tiefer Irrthum besteht aber darin, daß er die Natur des Menschen für diese Sfåre hält, da sie allein die Gnade Gottes in dem Christus, Jesus, ist. Irrig nimmt er ein Gutsein der jeßigen menschlichen Natur an, welches nur ein noch Besserwerden, eine Besserung verlange, da, nach dem Zeugnisse des göttlichen Worts und nach der Erfahrung des erleuchteten Innern, das Herz ein Quellpunkt böser Gedanken und Bestrebungen ist, und nur dann aufhört, dies auf eine vorherrschende Weise zu sein, wenn es geändert, durch den heiligen Geist erneuert worden. Der Mensch muß wiedergeboren werden (Joh. 3, 3, 5.) und ohne dies kann ihm alle Besserung, die immer nur auf das Einzelne geht, in religiöser Beziehung nichts nußen. Reue also, insofern sie auf die einzelne That geht, ist immer noch wesentlich eigennüßig und unrein, und hört nur auf es zu sein, wenn sie Schmerz wird über das Ganze des von innen aus verkehrten Weges, Buße oder Sinnesänderung, μetávola. Diefe ist Schmerz über den Unglauben und die bisherige Abwendung von Gott, und über die einzelnen Fehltritte gerade insofern, als sie hervorgegangen sind aus dem Unglauben

und beigetragen haben zu der Verstärkung desselben. Also gerade das Gefühl des Unrechts gegen Gott, welches der Naturalismus nur mittelbar und schwach aufkommen läßt, ist das Wesen jeder zur Seligkeit führenden Reue, und das Ausschauen nach göttlicher Hülfe als Vergebung, durch Christi Vermittelung, ist das wesentliche Moment, wodurch die Buße mit dem Glauben unzertrennlich Eins ist. Eine Betrachtung der Größe unserer Sünde, losgetrennt von dem durch den Glauben zu ergreifenden Troste der Vergebung, liegt zwar nicht in dem Wesen der Buße, wohl aber ein stilles und der Demüthigung nicht widerstrebendes Sichzeigenlassen dies ser Größe durch den Geist der Wahrheit, insofern dies auf jedem Punkte an die Betrachtung der göttlichen Heiligkeit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sich anschließt. Deshalb ist auch die Kraft des Willens, welche der Naturalismus unabhängig vom Glauben an Christus, aus einem Zusam mennehmen des Eigenen, entstehen läßt, immer wesentlich selbstisch, stolz und unfähig, einen wahren Fortschritt zur christlichen Vollkommenheit zu bewirken. Denn sobald in der Entwickelung dieser Kraft nicht das Bewußtsein, durch Gott wieder stark geworden zu sein, und stärker als zuvor, vorherrscht; sobald sie sich vorzugsweise aus dem Vertrauen auf das, was in unserer Gewalt ist, und aus dem Verdrusse über das Gestörtsein unserer Weltverhältnisse erzeugt: so hat die Eigenheit von vorn herein das Uebergewicht, und diese falsche Stärke, jemehr sie sich vorzugsweise auf etwas zu Thuendes wirft, und darnach die zunehmende Vollkommenheit des Lebens messen will, verhärtet und verdunkelt den Menschen in Bezug auf seinen inneren Zustand und die Schwäche seines Herzens in der Liebe, sie macht ihn unwillig, zu leiden, besonders innerlich die Zucht des Geistes der Wahrheit und Heiligkeit zu erleiden, und so entsteht dann, unter dem Geräusche und dem Schimmer einer herkulischen Willenskraft, eine beklagenswerthe innere Schwäche und Unfähigkeit, sich selbst zu überwinden. Das Streben,

der Natur gemäß zu leben, unterhält allerdings die Scheu vor dem offenbar Unnatürlichen des Lasters. Aber da das göttliche Gesetz nicht in seiner positiv in der Schrift bezeugten Heiligkeit anerkannt wird, geht auch ein großer Theil der nur durch die Sünde entstandenen Richtung der Triebe in den naturalistischen Begriff der zu veredelnden Naturtriebe ein, und Laritåt in Beurtheilung des Natürlichen, besonders in Bezug auf das Geschlechtsverhältniß, schwache Weichheit der Gefühle, unter dem Scheine des Edlen und Empfindungsvollen, und Ueberschätzung einer gewissen rüstigen Kraft nach außen, besonders im Gebiete körperlicher Anstrengungen, sind die vornehmsten Merkmale der auf naturalistischem Boden erwachsenden Religiosität.

3. Von den Stiftungen Christi und von der ganzen kirchlichen Gemeinschaft kann der Naturalismus nur eine solche Vorstellung haben, nach welcher hier allein eine Bes nutzung psychologischer Einsichten zu den Zwecken gesellschaftlicher Zusammenhaltung gefunden wird. Das Gebet, aller sakramentlichen Stiftung zum Grunde liegend, hat im Naturalismus fast gar keine Stelle, und es wird von ihm mehr als sentimentaler Erguß geduldet, denn als religiöse Handlung gelehrt. Es kaun ihm nur ein gewisses sentimental-poetisches Ausströmen des Gefühls, eine natürliche Entlastung des aufgehåuften religiösen Stoffs sein, ohne daß ihm der Karakter der Anbetung mehr als irgend einer anderen Handlung, und der Karakter der Bitte in irgend einem anderen Sinne als dem einer rhetorischen Wendung zukomme. Denn da Alles, auch das Thun Gottes in Ansehung der Menschen, in die Naturordnung eingeschlossen ist: so ist an eine Bitte, welche, insofern sie recht geschieht, der Erhörung gewiß wäre, nicht zu denken. Das Gebet, nach dem Naturalismus, erlaubt und hat psychisch-gute Folgen, wie jeder Ausdruck des Innern *). Die Taufe ist bloßes Bild der Reinigung,

*) Die Naturalisten schwanken über diesen Punkt, aber so daß

zugleich gesellschaftliche Einweihung und Verpflichtung, und in der ersten Beziehung die Kindertaufe um so cher zulässig, da die Verpflichtung auf jede andere Weise nachgeholt werden kann. Das Abendmahl ist eine Gedächtnißfeier des Lodes Jesu als der Bestätigung seiner Ueberzeugungstreue, ohne geheimnißvolle Mittheilung *). Das gottesdienstlichkirchliche Leben hat einen gewissen Werth dadurch, daß ein gewisses Maaß ästhetischer Gefühlsdarstellung sich mit moralisch-didaktischen Zwecken vereinigen läßt, und daß diejenigen, welche der Belehrung nicht bedürfen, durch jene åsthetischen Anregungen, welche daher möglichst in die Rede zu verlegen find, sich bis zu einem gewissen Grade mit solchen im Göttesdienste vereinigen können, die in jeder Beziehung weit unter ihnen stehen.

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sich ihre Ansichten zurückführen lassen auf jenen Begriff des
psychisch nothwendigen Ausströmens. Blount sagt, der Kul-
tus solle bestehen in Gebeten und Lobgefängen, und hierin
liegt nichts über das Gebet des Individuums (de la Men-
nais sur l'indifférence en matière de religion. 1835, t. 1.
p. 151). Rousseau (Emile, t. 3. p. 119. ed, Amsterdam 1762.):
,,Je médite sur l'ordre de l'univers
pour adorer le sage
auteur, qui s'y fait sentir. Je converse avec lui, je péné-
tre toutes mes facultés de sa divine essence, je m'attendris
à ses bienfaits, je le bénis de ses dons, mais je ne le prie
pas, que lui demanderois-je ?" Und die Stunden der An-
dacht mit deutsch - naturalistischem Großthun: „Beten sollst
du nicht, damit dir Gott etwas gewähre und gebe, sondern
weil er dir giebt, darum bete. Das Gebet ist nur ein
Ausströmen deiner Liebe" (Vgl. Evang. Kirchenzeit. 1829.
N. 21.)

*) Der vollständigste Ausdruck der naturalistischen Ansicht wird wohl stets das bleiben, was ein Prediger bei der Beichtvorbereitung, gesagt haben soll: „Ein Kreis guter Menschen hat sich hier versammelt, um den Tod eines Edlen zu feiern.“ Auch wenn dieser Ausspruch nicht faktisch wäre, so gehört er hieher, denn er druckt den Sinn des Naturalismus aus.

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