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zeichnung wichtiger Jahresereignisse, deren Bedeutung nach dem Interesse des Darstellers bemessen wurde. In Deutschland waren es die Klöster, welche auf Ostertafeln alle Denkwürdigkeiten des Jahres kurz bemerkten. Je weiter das Interesse des Klosters und der Gesichtskreis des Aufzeichners war, um so umfassender wurde allmählich die Darstellung der politischen Weltereignisse: aus kurzen Notizen wurden im Laufe der Zeit immer umfangreichere Berichte, schliesslich Schilderungen und Beschreibungen, untermischt mit religiösen und kirchlichen Darstellungen, bis endlich aus den Chroniken der Klöster sich die fortlaufende Erzählung der grossen politischen Ereignisse entwickelte.

Wie die Klöster im Mittelalter, so sammelten in Rom hervorragende Familien die Denkwürdigkeiten ihres Geschlechts. Aber auch Priestercollegien machten es sich zur Aufgabe, ihre Erlebnisse in schriftlicher Aufzeichnung zu fixieren. Und als die plebeische Gemeinde in ihrem Kampf- und Standesgefühl gegen die Patricier erstarkte, begannen die Vorstände ihres Archivs, die plebeischen Aedilen am Tempel der Ceres, alle merkwürdigen den Kampf der Standesgenossen betreffenden Ereignisse in kurzen Annalen zur Aufzeichnung und damit zur Kenntniss des Volks zu bringen.

3. Wahrscheinlich noch früher entstand die Sitte, dass der Pontifex maximus gewissermassen im Namen des Staats nicht nur das Eponymenverzeichniss der höchsten Magistrate anfertigte, sondern auch auf einer öffentlichen Tafel den Consuln jedes Jahres die denkwürdigsten Ereignisse beifügte, natürlich in kurzen chronikartigen Notizen.

Diese Tafeln, deren Lektüre allgemein zugänglich war, wurden von den Óberpriestern der Reihe nach fortgeführt bis etwa zum Jahr 123 v. Chr., dem Pontifex maximus P. Mucius Scaevola. Unter ihm wurden jene Staatsnachrichten zusammengefasst und unter dem Titel „annales maximi" in 80 Büchern veröffentlicht. Von dieser Zeit an unterblieb die officielle Aufzeichnung und Veröffentlichung der Staatsereignisse, vielleicht weil die oligarchische Senatsregierung die Kritik der heftigen demokratischen Opposition fürchten musste, vielleicht auch weil die private Schriftstellerei eine Staatszeitung bereits überflüssig gemacht hatte.

Den Titel annales maximi erklärten die Alten als pontificis maximi annales, eine Erklärung, welche auf reiner Willkühr beruht. Wie man vielmehr z. B. comitiatus maximus sagte, grösste Bürgerversammlung (= Centuriatcomitien), weil keine andere Art der Versammlungen die Bürgerschaft so vollständig umfasste als eben jene, so wurden die Annalen des

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Pontifex maximus annales maximi genannt, nicht als ob keine andere Sammlung ihnen an Umfang oder Bedeutung gleichgekommen wäre, sondern weil sie allein den Anspruch erhoben, nicht einseitige Standes- oder Familieninteressen, sondern das Interesse aller Corporationen und Parteien des Staats zu vertreten, soweit sie das Wohl und Wehe des Staats zu berühren schienen.

4. Ausser der officiellen Staatschronik, deren Redaktion. schiesslich auch die Annalen der Plebeier in sich aufgenommen hatte, und den privaten Aufzeichnungen einzelner Familien oder Corporationen gewährten der Geschichtschreibung ein umfangreiches Material die Laudationen der Staatsmänner und Feldherren. In ihnen fand man nicht mehr dürftige und nackte Thatsachen, wie in der Staatschronik, sondern bereits ausgeführte Bilder und Gemälde von den Kämpfen im Krieg, im Senat und auf dem Forum. Solche Darstellungen wurden für die Annalisten eben so verführerisch als trügerisch. Die Geschichtschreibung erforderte Zusammenhang der Ereignisse, fassbare Charaktere, Personen mit Fleisch und Blut. Die Schilderungen der Laudationen mussten für diese Aufgabe eine treffliche Hülfe und Quelle sein, welcher die Historiker um so zuversichtlicher folgten, je mehr sie durch Stand und Abkunft den gepriesenen Helden der Vorzeit sich nahe und verwandt fühlten. Eine Trübung der Wahrheit konnte auf diesem Wege nicht vermieden werden, weil die Triebkraft der Laudation nicht die nüchterne Wahrhaftigkeit, sondern die masslose Pietät war, welche im Ruhm des Ahnen ihre eigne Ehre suchte.

5. Die Nachrichten aller genannten Quellen gingen über die Zeit der Republik nicht zurück. Die Königsgeschichte und auch ein grosser Theil der Geschichte der älteren Republik hat ihren Grund und Boden in der volksthümlichen Sage. Denn auch das römische Volk hatte seine Tradition, welche sich von Jahrhundert zu Jahrhundert sagenhafter gestaltete und schliesslich in epischen Liedern ein festes Gepräge erhielt. Das historische Volkslied war den Römern nicht unbekannt. Krieg und Sieg begeisterte auch die Nüchternheit zum Lied; im Feld und im Triumph bot sich Gelegenheit zur Produktion und zum Vortrag. Die ahnenstolzen Römer, und das waren alle ohne Unterschied, verschmähten es auch nicht, in geselligen Zusammenkünften die Grossthaten ihrer Helden im Gesang zu feiern. Und als die nüchterne Gravität der Männer dieses Tugendspiel verschmähte, überliess man es der heranwachsenden Jugend zur eignen Erhebung und zur Erbauung der Aelteren.

Diese Uebung des Heldengesangs erstarb gegen Ende des Hannibalischen Kriegs, ohne einen Dichterheros gefunden zu haben, welcher die vielfachen Volkslieder mit kunstvoller Invention zu einem grossen nationalen Epos vereinigt und gestaltet hätte. Aber wirkungslos blieb das Heldenlied nicht. Es verlieh der Sage Kraft und Farbe, wie sie sich in den Annalen des Ennius und noch in den Schilderungen des Livius abspiegelt.

Der beginnenden Geschichtschreibung fiel also die Aufgabe zu, die dürftigen Chroniken der Republik mit den Berichten der Familientradition, den Schilderungen der Laudationen und den blühenderen Gemälden der Sage kunstreich zu verknüpfen.

Es wäre zwecklos, alle Annalisten, welche an dieser Aufgabe arbeiteten, der Reihe nach aufzuzählen. Es genügt, die wichtigsten Männer hervorzuheben, welche für die Gestaltung der römischen Geschichte und für die Thätigkeit des Livius von entscheidendem Einfluss gewesen sind.

6. Der erste der Annalisten Q. Fabius Pictor gehörte der berühmten gens Fabia an und nahm als Senator, Gesandter und Feldherr selbst thätigen Antheil an den Geschicken seines Vaterlandes. Nach der Niederlage bei Cannae war er vom Senat nach Delphi geschickt worden, um das Orakel über die Hoffnungen Roms gegen Hannibal zu befragen. Die Thaten seines Gentilverwandten Q. Fabius Maximus, welchem die Majorität des Senats die Rettung des Staats zu verdanken glaubte, veranlassten ihn vielleicht zur Abfassung einer Geschichte Roms, welche eine Rechtfertigung der Politik des Cunctator gegen die Kühnheit der Scipionenpartei sein sollte.

Fabius schrieb zwar griechisch, also nur für die Gebildeten seiner Zeit, sein Werk erfuhr jedoch frühzeitig eine lateinische Bearbeitung. Wir wissen, dass er die Geschichte seiner Zeit und der nächsten Vergangenheit sehr ausführlich, die der früheren Zeit der Republik dagegen sehr knapp behandelt hat.. Nur diejenigen Ereignisse, bei welchen Fabier betheiligt wawurden von ihm ausführlicher erzählt.

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Fabius Cunctator, der Vorfechter der Senatspolitik gegen die demokratischen Umtriebe plebeischer Tribunen und Consuln, hatte den Kampf zugleich gegen die besitzlose plebs urbana und die grundansässige plebs rustica zu bestehen.

Es scheint, als ob diese Erfahrung für Fabius Pictor die Veranlassung wurde, in der Darstellung der Verfassungskämpfe jene beiden Elemente der Plebs ungetrennt zu halten und die Thätigkeit der alten plebs rustica nach dem Massstab der plebs urbana seiner Zeit zu beurtheilen. Wie nun Fabius' Werk

überhaupt für alle späteren Bearbeitungen der römischen Geschichte massgebend wurde, so übertrug sich auch jener Irrthum auf die Auffassung und Darstellung des Livius.

7. Geringeren Einfluss übten, wie es scheint, die Annalen des Plebeiers L. Cincius Alimentus, welcher nicht lange nach dem Ende des zweiten punischen Krieges und ungefähr gleichzeitig mit Fabius geschrieben hat. Er behandelte die Geschichte Roms von der Gründung der Stadt bis auf seine Zeit. Er war 211 v. Chr. Prätor gewesen, dann Proprätor von Sicilien bis 208. Nach dieser Zeit scheint er in Hannibals Gefangenschaft gekommen zu sein: „,captum se ab Hannibale scribit" Liv. 21, 38.

8. Ein epochemachendes Nationalwerk wurden die Origines des M, Porcius Cato. Vgl. die Charakteristik dieses merkwürdigen Mannes bei Liv. 39, 40 (III. Heft p. 22); dazu Corn. Nep. Cat. 3: senex historias scribere instituit. earum sunt libri VII. primus continet res gestas regum populi Romani, II et III unde quaeque civitas orta sit Italica: ob quam rem omnes origines videtur appellasse. in IV autem bellum Punicum est primum, in V secundum. atque haec omnia capitulatim (xεpaλαιædãs?) sunt dicta. reliquaque bella pari modo persecutus est usque ad praeturam Servii Galbae, qui diripuit Lusitanos. atque horum bellorum duces non nominavit sed sine nominibus res notavit. in iisdem exposuit quae in Italia aut fierent aut viderentur admiranda. in quibus multa industria et diligentia comparet, nulla doctrina.

Cato's Untersuchungen über die Mythen aller Oertlichkeiten Roms und Mittelitaliens wurden die Hauptquelle für die antiquarischen Episoden Vergil's. Livius folgte ihm hauptsächlich in der Behandlung der Königsgeschichte. Diese hatte Cato ausführlich erzählt, kürzer die Geschichte der Republik, immer umfassender dagegen die Geschichte seiner Zeit, seiner Erlebnisse, seiner Kriegführung und Politik. Vgl. zu Liv. 36, 21.

Cato's Werk war die erste Geschichte Roms in lateinischer Sprache, wenn auch den Anforderungen der griechischen Rhetorik noch nicht entsprechend (nulla doctrina), so doch gewiss umsichtig, fleissig und originell, wie Alles, was jener grosse Charakter that und schrieb.

9. Dem Cato am nächsten stand der Plebeier L. Cassius Hemina, den Plinius vetustissimus auctor annalium nennt, dann folgten die Consularen L. Calpurnius Piso, Sempronius Tuditanus und C. Fannius.

Im Zeitalter der Gracchen unternahm es Coelius Antipater, den zweiten punischen Krieg in 7 Büchern darzustellen. Durch diese Beschränkung auf einen kleineren Stoff soll es

ihm gelungen sein, alle seine Vorgänger weit zu übertreffen. Er benannte auch sein Werk nicht mehr annales, sondern historiae. Livius hat ihn, wie es scheint, viel benutzt, cf. Weissenb. zu 21, 38, 7; charakteristisch für die Genauigkeit des Coelius ist Liv. 27, 27: multos circa unam rem ambitus fecerim, si, quae de Marcelli morte variant auctores, omnia exequi velim. ut omittam alios, Coelius triplicem gestae rei rationem edit, unam traditam fama, alteram scriptam in laudatione fili, qui rei gestae interfuerit, tertiam, quam ipse pro inquisita ac sibi comperta adfert. Er gab sich auch die Mühe, gegnerische Quellen zu studieren.

10. Claudius Quadrigarius, ein Zeitgenosse Sulla's, begann seine Annalen mit dem gallischen Brande und führte sie herab bis auf seine Zeit. Livius benutzte ihn vielfach, gibt ihm aber auch öfters Uebertreibung in Zahlangaben Schuld, z. B. 33, 10 über die Schlacht bei Scotussa. Claudius scheint überhaupt Tendenzschriftsteller gewesen zu sein, welcher die Volkspartei herabsetzte, um die Nobilität in um so höherem Glanze erscheinen zu lassen. Dem Helden des Volkes, C. Marius, wird der Held der Aristokratie, Camillus, gegenübergestellt, in den Gegnern des Camillus werden Marius und seine Anhänger verurtheilt.

11. Einen gewissen Abschluss in der Entwicklung der Annalistik bildet Valerius von Antium. Bemerkenswerth ist seine Sucht, Zahlen und Thatsachen zu erdichten, sein Geschlecht, die Valerier, überall in den Vordergrund zu stellen, die Parteiansichten seiner Zeit er war Zeitgenosse des Claudius auf die Verhältnisse der ältesten Republik zu übertragen. In der Entwicklung und Schilderungen der Begebenheiten vertraute er ebensoviel seiner Phantasie als seinen Quellen. So ist die Schilderung des Livius von der ersten Secession der Plebs wahrscheinlich in der Hauptsache das Werk des Valerius. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er auch den Anfang gemacht, durch Einfügung künstlicher Reden die Darstellung zu beleben. Seine Annalen umfassten wenigstens 75 Bücher.

12. Die rhetorische Künstelei, welche der antiken Geschichtschreibung zwar einen gewissen dramatischen Reiz verleiht, ihre Wahrhaftigkeit aber nicht wenig beeinträchtigt, übte in der umfassendsten Weise der Annalist Licinius Macer, Vater des Redners Licinius Calvus. Er wurde deshalb die Lieblingsquelle des rhetorisierenden Dionysios von Halikarnassos. Indessen hat Licinius auch die ältere Geschichte Roms durch Entdeckung neuer Thatsachen bereichert; seine Hauptarbeit aber war die Ausgleichung scheinbarer Widersprüche.

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