Immagini della pagina
PDF
ePub

ihm und dem Cerberus unbekannt sey. Er beklagt, daß sein Gesicht zu verhärtet sey, und keine Thränen kenne, welche um den Tod seiner Kinder nicht reichlich genug fließen könnten. Er will sein Schwerd, seine Pfeile, feinen Bogen zerbrechen; er will seine Keile, er will seine Hände, die sie geführt haben, verbrennen. Hier wagt es Theseus, ihm zuzureden.

Thes. Wer hat dem Jrrthume jemals den Namen des Verbrechens gegeben?

Herk. Oft ist ein zu groffer Irrthum anstatt bes Verbrechens gewesen.

Thes. Hier ist Herkules nöthig. Diese Last von Uebeln!

Ertrage

Herkules. Noch habe ich in der Raserey nicht alle Scham verloren, daß ich meinen abfcheuligen Anblick nicht vor allen Völkern yerbergen sollte, die ihn ohnedem fliehen müßtens Meine Waffen, Theseus, meine Waffen, die man mir so schimpflich genommen hat, verlange ich wieder. Rase ich nicht mehr; so gieb mir sie zurück. Rase ich aber noch, so entferne dich, Bater. Ich will schon einen Weg zum Tode finden.

Amphitryo fängt nunmehr an, den Herz kules auf das zärtlichste zu bitten. Er bez schwört ihn ben allen den Verbindungen, die zwischen ihnen beyden obwalteten; es sey nun, daß er ihn als seinen Vater, oder als seinen Pfleger betrachte. Er stellt ihm vor, daß er die einzige Stüße

C

Stüße seines Hauses sey; daß er ihn noch nie genossen habe, sondern immer in der aussersten Furcht seinetwegen habe leben müssen.

Herkules. Und warum sollte ich noch lån ger leben? Habe ich nicht alles verlohren? Sine nen, Waffen, Ruhm, Gemahlin, Kinder, meine Raserey selbst, habe ich verloren. Es ist kein Rath für meine befleckte Seele. Mit dem Tode muß ich mein Verbrechen büssen.

Theseus. Du wirst deinen Vater ums Leben bringen.

Herk. Damit ich es nicht etwa thue, eben deswegen will ich sterben.

Thes. In Gegenwart des Vaters?

Herk. Solchen Grăul anzusehen, habe ich ihn schon gelehrt.

Amph. Siehe doch vielmehr auf deine andern rühmlichen Thaten zurück, und verzeihe dir selbst diese einzige Schuld.

Hert. Der sollte sich etwas verzeihen, der niemanden verziehen hat? Was ich löbliches ge than habe, that ich auf Befehl. Dieses einzige that ich von mir selbst

Kurz, er dringt mit aller Gewalt darauf, daß man ihm seine Waffen wieder zurück geben solle. Umsonst verbinder Theseus seine Bitten mit den Bitten des Vaters, und erinnert ihn, daß es dem Herkules unan ständig sey, irgend einem Unglücke unterzuliegen. Er aber antwortet ; „Ich habe meine Verbrechen nicht freywillig,

,,sondern

„sondern gezwungen gethan.

Jenes würde man

,,glauben, wenn ich leben bliebe; dieses kann nur ,,meinen Tod bekräftigen. Der Dichter

hat dieses in wenig Worten auszudrücken gewußt: Si vivo, feci fcelera; fi morior, tuli. Herkules fährt also fort, sich als ein Ungeheuer anzusehen, von welchem er die. Welt reinigen, müsse. Er drohet, wenn ihm die Waffen nicht wieder gegeben würden, die Wälder des Pindus und die dem Bacchus geheiligten Hanne auszurotten, und sich mit ihnen zu verbrennen; oder auch die Häuser mit ihren Einwohnern, die Tempeln mit ihren Göttern auf sich zu reissen, und sich unter dem Schutte der ganzen Stadt zu begraben. Sollte aber auch diese Last ihm zu leicht feyn, sollten sieben Thore noch nicht schwer genug auf ihm liegen: so soll die halbe Welt auf sein Haupt stürzen, und ihn in dem Mittelpuncte der Erde erdrücken. Diese Hartnäckigkeit des Herkules bringt endlich den alten Amphis tryo gleichfalls zur Verzweiflung, und die Stellungen werden numehr ungemein rührend. Es ist nur zu bedauren, daß der Tert hier eine sehr merkliche Verwirrung der Personen gelitten hat. Bald wird der einen etwas in den Mund gelegt, was wahrscheinlicher Weise die andre sagen soll; bald hat man aus zwey Reden eine, und bald aus einer zwey Reden gemacht. Was man noch zuverläßiges daraus erkennen kann, ist dieses, daß Amphitryo selbst sich einen von den Pfei € 3

[ocr errors]

len

"

[ocr errors]

ten an die Brust seßt, und sich zu durchstechen drohet, wenn Herkules seinen Schluß nicht åndern wolle.,,Entweder, spricht er, du lebst, oder „du wirst auch an mir zum Mörder. Schon schwebt meine durch Unglück und Alter geschwächte Seele auf den äussersten Lippen. „Wer überlegt es so lange, ob er seinem Vater „das Leben schenken wolle? Jezt druke ich, des ,,Verzögerns fatt, das tödliche Eisen durch die Bruft. Hier, hier wird des vernünftigen Hers ,,kules Verbrechen liegen.,, Und hiermit ges lingt es dem Amphitryo den Herkules so zu erweichen, daß er sich zu leben, und diesen Sieg über sich selbst zu seinen übrigen Siegen hinzu zu thun, entschließt. Er ist nun weiter auf nichts bedacht, als Theben zu verlassen.,,Doch wohin ,,soll ich fliehen? Wo werde ich mich verber,,gen? Welcher Tanais, welcher Nil, welche gewaltige Tigris, welcher wilde Rhein wird meine Rechte abwaschen können? Und wenn auch der ganze Ocean über meine Hände dahin strömte, so würden doch noch die gråßlichen Morde daran fleben. Er ersucht hier auf den Theseus ihn in dieser Noth nicht zu verlassen, einen Ort, wo er verborgen seyn könnte, für ihn auszusuchen, oder, wo möglich, ihn in das unterirrdische Reich wieder zurück zu brin gen.,,Da, da will ich mich verborgen halten. Doch auch da bin ich bekannt. The feus schlägt ihm fein eigen Land, Athen, zum

Zufluchts

Zufluchtsorte vor, und zwar deswegen, weil es das Land sey, wo Mars selbst wegen Ermordung seines Sohnes, losgesprochen worden. ,,Dieses Land, welches die Unschuld der Götter „richtet; dieses Land, Alides, rufet dich.

Und so schließt der rasende Herkules. Ohne Zweifel erwartet man nun eine kurze

Beurtheilung desselben.

Ueberhaupt werde ich mich hoffentlich auf die Empfindung derleser zum Vortheile meines Dich ters berufen können. Starke Schilderungen von Leidenschaften können unsre Leidenschaften un möglich ganz ruhig lassen. Und diese wollen wir vornehmlich in den Trauerspielen erregt wiffen. Hat man den Zorn ter Juno, die Dros hungen des Lycus, den edlen Stolk der Mes gara, den kühnen Uebermuth des Herkules, das Unglück einer blinden Raferey, die Verzweiflung eines Reuenden, die Bitten eines Vaters gefühlt, so kann der Dichter gewiß seyn, daß man ihm seine Fehler willig vergeben wird. Und was sind es denn endlich auch für Fehler? Er ist mit den poetischen Farben allzuverschwenderisch gewesen; er ist cft in seiner Zeichnung zu kühn; er treibt die Gröffe hier und da bis zur Schwulst; und die Natur scheinet bey ihm allzuviel von der Kunst zu haben. Lauter Fehler, in die ein schlechtes Genie niemals fallen wird! Und wie klein werden sie, wenn man sie nach

C

€ 4

dem

« IndietroContinua »